Altenpflege

Ein Blick in den Alltag einer Pflegerin

Gesundheits-, Kranken- und Altenpflegerin Nadine Angermann gibt Einblick in ihren Alltag in einer Stuttgarter Pflegeeinrichtung und spricht auch darüber, was sich im Pflegeberuf verändern muss. Von Katharina Hirrlinger

Eine ältere Frau sitzt gemeinsam mit einer jüngeren Frau auf einer Parkbank.
Unsplash+/Getty Images

Nadine Angermann ist seit knapp 20 Jahren in der Pflege tätig. Für die 35-Jährige begann alles mit einem Freiwilligen Sozialen Jahr in der Altenpflege, danach machte sie eine Ausbildung zur Gesundheits-, Kranken- und Altenpflegerin. Heute arbeitet sie im Stuttgarter Lutherstift der Evangelischen Heimstiftung.

Nadine Angermann sitzt am Schreibtisch
privat
Nadine Angermann ist Pflegerin im Lutherstift in Stuttgart.

Frau Angermann, wie fühlt es sich an, tagtäglich mit Menschen in der letzten Lebensphase zu arbeiten?

Nadine Angermann: Für mich haben Tod und Sterben genauso etwas mit dem Leben zu tun wie Geburt. Das sind intime Momente, an denen die Bewohner mich teilhaben lassen, vor denen ich viel Respekt habe und die ich unheimlich schön finde.

Was gefällt Ihnen denn an der Pflegearbeit besonders gut?

Nadine Angermann: Ich mag es, eine Beziehung zu den Menschen aufzubauen. Das passiert nicht von heute auf morgen. Manchmal sind sie viele Jahre bei uns. Man hat dann einen sehr engen Kontakt zu den Angehörigen und bekommt viel von dem Leben mit, das der Bewohner vor der Zeit im Lutherstift gelebt hat. Man teilt schöne Momente, aber manchmal auch nicht so schöne.

Welche schwierigen Situationen erleben Sie?

Nadine Angermann: Wir hatten vor kurzem ein Ehepaar hier, das ist zusammen eingezogen. Ich glaube, die beiden waren 50 Jahre verheiratet. Dann ist der Ehemann leider verstorben und wir mussten das der Ehefrau sagen. Das ist so ein Moment, der prägend ist, das geht uns dann auch sehr nahe.

Wie gehen Sie damit um, wenn ältere Menschen unhygienisch werden oder „komische“ Eigenschaften entwickeln?

Nadine Angermann: Das ist ein Teil der Altenpflege, mit dem man lernt umzugehen. Das sind meistens Bewohner, die kognitive Einschränkungen haben, also an einer demenziellen Erkrankung leiden. Denen ist meist gar nicht mehr bewusst, warum sie das tun. Es ist wichtig, sie dann auch in einer schönen Atmosphäre  wieder zu reinigen. Wir haben viel mit Ausscheidungen zu tun, weil die Bewohner nicht mehr alleine auf die Toilette gehen können. Oder wir haben viele intime Momente, weil wir die Bewohner natürlich auch entkleidet sehen müssen. Da ist es umso wichtiger, dass wir eine gute Beziehung zu den Bewohnern haben. Die spüren das dann auch. Das macht die ganze Situation viel einfacher.

Wie sieht ein typischer Alltag im Pflegeheim aus?

Nadine Angermann: Im Frühdienst versuchen wir die Bewohner individuell beim Aufstehen zu begleiten und bei der der Körperpflege zu unterstützen – der eine braucht mehr Hilfe, die andere weniger. Dann begleiten wir sie zum Frühstück. Manchmal gehen wir gemeinsam in den Garten, machen Biografie-Arbeit, spielen Gesellschaftsspiele, lesen auch einfach mal nur die Tageszeitung vor, reden oder machen eine schöne Maniküre. Wenn wir gerade Zeit haben, gibt es eine Handmassage. So etwas versuchen wir immer mit einzubauen. Am Nachmittag kommen oft Angehörige vorbei. Mit ihnen stehen wir Pflegekräfte im Austausch. Das ist wichtig, weil wir nicht nur wollen, dass sich die Bewohner wohlfühlen, sondern auch die Angehörigen. Wir nehmen uns viel Zeit, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Außerdem bringen wir die Bewohner zu Veranstaltungen im Haus wie Gottesdienste oder Bewegungsangebote. Abends ist dann wieder Routine mit pflegerischen Tätigkeiten.

Wie selbstständig sind die Menschen, die im Lutherstift wohnen, noch?

Nadine Angermann: Wir haben ein gemischtes Klientel. Wir bereuen Menschen, die körperliche Einschränkungen ganz unterschiedlicher Ausprägungen haben – von nur kleiner Unterstützung bis hin zur kompletten Übernahme von allen Tätigkeiten. Und dann haben auch Menschen hier, die eine seelische Erkrankung haben und die brauchen nochmal ein bisschen andere Unterstützung. Da führen wird viele Gespräche, geben den Bewohnern viel Zuwendung. Gerade Bewohner, die eine demenzielle Erkrankung haben, brauchen diese körperliche Zuwendung. Also einfach mal die Hand streicheln oder mal umarmen.

Und dafür bleibt bei Ihnen auch die Zeit? 

Nadine Angermann: Ja, die Zeit bekommen wir hier. Das Personal ist so ausgeprägt, dass wirklich auch Zeit ist, um nicht nur das körperliche Wohlergehen von den Bewohnern zu sehen, sondern auch das seelische. Genauso wichtig, wie dass die Bewohner gut versorgt sind, ist es, dass sie sich hier wohlfühlen. Das finde ich sehr, sehr schön hier, dass es die Möglichkeit gibt und dass wir uns wirklich ganzheitlich um die Bewohner kümmern können.

Welche Eigenschaften braucht ein Mensch, der in der Altenpflege arbeiten möchte?

Nadine Angermann: Zum einen viel Empathie: Dass man wirklich jeden Menschen so nimmt, wie er ist, Gefühle wertschätzt, sie zeigt und ernst nimmt. Aber auch das Fachwissen ist wichtig. Krankheiten und Gefahren einschätzen, sich mit Medikamenten und Anatomie auskennen.

Haben Sie Wünsche, was sich in der Pflege verändern muss?

Nadine Angermann: Zum einen, dass es endlich mehr Anerkennung für diesen körperlich und psychisch anstrengenden Beruf gibt. Wir arbeiten hier mit Menschen. Wenn mir ein Fehler unterläuft bei Medikamenten, dann kann das ein Leben kosten. Und, dass der Beruf ein bisschen familienfreundlicher gestaltet wird. Es fehlt einfach an Kinderbetreuung, wenn man im Schichtdienst arbeitet.

Was sind da Ihre konkreten Vorstellungen? 

Nadine Angermann: Dass Kindertagesstätten mit in die Einrichtungen eingebunden werden oder auch die Dienstzeiten besser gestaltet werden können. So wäre man als Mutter in der Lage, Kind und Beruf besser unter einen Hut zu bekommen.