Sven Plöger über Klima und Wetter

Erkenntnis ohne Handeln

Diplom-Meteorologe Sven Plöger befasst sich seit seiner Jugend mit dem Wetter. Eigentlich wäre er damals lieber Pilot geworden, aber dafür reichte seine Sehstärke nicht. Doch es blieb beim Blick in den Himmel zu den Wolken. Das faszinierte ihn. Seit vielen Jahren moderiert er das „Wetter im Ersten“. Mit Karin Ilgenfritz sprach er über Wetter und Klimawandel.

Ein Blitz am Himmel in der Nacht.
unsplash/David Moum
Sven Plöger
Foto: Pressebild/HR/Sebastian Remold

Herr Plöger, das Wetter – im Smalltalk ein beliebtes Thema. Dazu gibt es immer was zu sagen. Erleben Sie das auch so?

Sven Plöger: Es hat sich verändert. Das Thema Wetter hat an Leichtigkeit verloren. Früher wurde ich gefragt, wann wieder mal schönes Wetter ist. Damit war gemeint, wann die Sonne scheint. Heute werde ich eher gefragt, wann es denn endlich mal wieder regnet. Das Interesse an Wetterthemen ist größer geworden – Stichwort Klimawandel. Ich erlebe bei vielen Menschen das Bedürfnis, die Dinge zu verstehen.

Dazu tragen Sie mit Vorträgen und Ihren Büchern auch einiges bei.

Sven Plöger: Es ist mir ein großes Anliegen, Wissen und Zusammenhänge zu vermitteln. Ich möchte dadurch, dass Physik verstanden wird, dass Menschen eine Haltung zum Klimawandel entwickeln. Denn die Ahnungslosigkeit ist groß. Das Wissen nimmt zwar zu. Wir erleben, dass Dinge eintreten, die die Wissenschaft vor 30 oder 40 Jahren angekündigt hat. Und die meisten Menschen nicken, wenn es heißt, Klimaschutz ist wichtig. Dennoch passiert zu wenig, wir haben ein Handlungsproblem.

Wie erklären Sie sich das?

Sven Plöger: In dem Moment, wo es darum geht, konkrete Entscheidungen im eigenen Handeln zu treffen, passiert bei den meisten Menschen nichts. Deswegen ist die Entwicklung so, wie sie ist. Damit meine ich den Bereich des einzelnen Menschen, aber auch den von Konzernen oder ganzen Ländern. Die Evolution macht es uns dabei nicht leicht. Sie hat uns mit der Idee in die Welt gesetzt, Kräfte zu sparen, um bei unmittelbarer Bedrohung agieren und uns in Sicherheit bringen zu können. Wenn es diese Bedrohung nicht gibt, dann halten wir an liebgewordenen Gewohnheiten fest. Der Klimawandel verlangt von uns nun das Gegenteil, nämlich frühzeitig zu handeln, um einen schleichenden Prozess in den Griff zu bekommen. Darin sind wir leider erkennbar schlecht.

Also klafft da eine Lücke zwischen dem, was Menschen wollen, und dem, was sie tun?

Sven Plöger: Die Erkenntnis ist da, aber die Handlung fehlt. Da gibt es die Wunschwelt, in der alles gut ist oder wird, und dann gibt es da die physikalische Welt. Am Ende gewinnt immer die Realität. Je weiter wir wegkommen von der Realität, desto tiefer fallen wir.

Ziegen laufen durch eine dürre Landschaft in Kenia. Am Horizont stehen Büsche.
epd-bild/Birte Mensing

Das klingt drastisch.

Sven Plöger: Ist es ja auch. Aber mir geht es nicht darum, Panik zu machen und zu drohen. Sondern ich möchte durch Wissen und anschauliche Darstellung – ohne Übertreibung Richtung Apokalypse – eine Haltung generieren. Dass jedem und jeder klar ist, wo wir stehen und was das eigene Verhalten bewirken kann. Wenn man „A“ sagt und „B“ macht, darf man sich nicht wundern, dass „A“ nicht wirkt. Wenn ich mir das Verhalten vieler Menschen anschaue, bin ich mir da nicht so sicher, ob wir wirklich „die Krone der Schöpfung“ sind. Aber nochmal zurück zu meinem Anliegen. Ich finde klare Worte, rede nichts schön. Aber dann lege ich Wert darauf, auch immer einen Ausweg aufzuzeigen.

Wie kann der aussehen?

Sven Plöger: Bequem ist er nicht, das liegt in der Natur der Sache. Was wir uns – trotz einer geopolitisch derzeit nur schwer zu ertragenden Lage mit vielen sich überlagernden Krisen bis hin zum unerträglichen Krieg in der Ukraine – erhalten müssen, ist der begründete Optimismus. Wir kennen die Stellschrauben, müssen sie nutzen und unsere Erfolge auch sichtbar machen. Das macht anderen Mut. Ich möchte Menschen ermutigen, bei Kleinigkeiten anzufangen und die Realität nicht auszublenden. Ich versuche nicht zu missionieren oder eine Ideologie zu verkünden, sondern ich versuche, komplizierte Naturwissenschaft zu übersetzen, um am Ende eine Haltung gegenüber dem Thema zu generieren. Es muss bei jeder und jedem aus dem Inneren kommen, sich klimafreundlich zu verhalten. Wenn man jemandem Vorschriften macht, kommt es eher zu einer Art „pubertärem Widerstand“.

Sie engagieren sich für Organisationen wie „Brot für die Welt“, World Vision oder das Kinderhospiz Bethel. Welchen Bezug haben Sie zu Kirche und zum christlichen Glauben?

Sven Plöger: Durch meine Eltern bin ich da verbunden. Sie waren beide immer in ihrer evangelischen Gemeinde aktiv. Der soziale Gedanke, andere zu unterstützen – das war ihnen immer wichtig. Daher kommt das bei mir. Die Organisationen und Einrichtungen haben mich angefragt. Ich habe mir das alles angeschaut und dann aus innerer Überzeugung gefunden, dass ich mich da einsetzen möchte. Für mich selbst spielt der Glaube eine Rolle, weil er Halt geben kann. Hyperkonsum in einem Hamsterrad der Art „schneller, höher, weiter, mehr“ kann das nicht. Leider besteht bei Religionen aber auch immer die Gefahr, dass sie missbraucht werden.

Bewahrung der Schöpfung ist ja auch ein christliches Thema.

Sven Plöger: Zu diesem Thema bin ich auch schon zu „Kanzelreden“ eingeladen worden, was ich sehr gern gemacht habe. Die Schöpfung bewahren hat viel mit Respekt zu tun. Wenn ich nachhaltig lebe, bringe ich den Ressourcen auch Respekt entgegen. Leider fehlt uns dieser Respekt an zu vielen Stellen.

Respekt – wovor genau?

Sven Plöger: Vor unseren Lebenselixieren. Wir müssen uns mal klarmachen, wie wichtig Luft ist: Nach drei Minuten ohne ist es vorbei. Oder Wasser: Da ist es nach drei Tagen ohne vorbei. Wir verbrauchen die Ressourcen von 1,8 Erden. Aber wir haben nur eine. Es gehört sich nicht, so respektlos damit umzugehen. Wir werfen so viel Nahrung weg und missachten die Schöpfung. Das Problem ist, dass wir keine direkten Auswirkungen unseres Handelns sehen. Da muss der Mensch dringend umdenken. Jetzt.

Wie sind Sie vom Wetter, der Meteorologie, zur Klimathematik gekommen?

Sven Plöger: Mir wurde der Klimawandel deutlich bewusst, als 1999 der Sturm „Lothar“ gewütet hat. Damals waren wir in unserem Haus auf einem Berg auf 1100 Meter Höhe. Dann kamen diese Windböen bis zu 179 Kilometer pro Stunde. Wir mussten Schutz suchen. Am stabilsten ist immer der kleinste Raum und so haben wir uns im Gäste-WC aufgehalten. Von da konnten wir den Sturm verfolgen und ich habe nie so viele Bäume gleichzeitig umfallen sehen. Diese Kräfte sind entstanden durch Veränderungen, die wir als Menschen diesem Planetensystem zufügen. Was, wenn irgendwann Kräfte freigesetzt werden, die wir nicht mehr beherrschen können? Da wollte ich mehr verstehen.

Was ist Ihre wichtigste Erkenntnis?

Sven Plöger: Eine schockierende Erkenntnis war und ist, dass wir mit unserem Verhalten mit wenig viel Übles auslösen können. Zum Beispiel das Ozonloch, das ist vom Menschen gemacht. Wir brauchen die Naturwissenschaft, um zu verstehen, was geschieht. Um zu wissen, was wir dagegen tun können. Und jeder und jede kann etwas tun.

Die Sonne am blauen Himmel.

Ist das Klima oder Wetter?

Im Alltag werden Klima und Wetter fälschlicherweise immer wieder gleichgesetzt. Zwar hängen sie eng zusammen, als Synonym können die beiden Begriffe jedoch nicht verwendet werden.

Wetter kann direkt gespürt werden,  denn es ist der kurzfristige Zustand der Atmosphäre an einem bestimmten Ort und zu einem bestimmten Zeitpunkt. Es umfasst eine Vielzahl von Faktoren wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck, Niederschlag und Windgeschwindigkeit. Meteorologen bestimmen das Wetter und aktualisieren ihre Daten ständig – je nachdem wie sich die Bedingungen in der Atmosphäre verändern. Wetter kann innerhalb von Stunden oder Tagen stark variieren und beeinflusst das tägliche Leben direkt. Es bestimmt, ob ein Sonnentag genossen werden kann, lieber ein Regenschirm eingepackt wird oder Menschen bei stürmischen Bedingungen besser zu Hause bleiben.

Das Klima hingegen ist ein mittlerer Zustand der Atmosphäre. Es wird aus Durchschnittswerten und Mustern des gesamten Wetters an einem bestimmten Ort oder in einer Region über einen bestimmten Zeitraum errechnet. Dieser kann Jahrzehnte oder Jahrhunderte umspannen. Regnet es beispielsweise in einer Region über einen langen Zeitraum viel, kann von einem feuchten Klima gesprochen werden.