Wie erleben Sie die gegenwärtige junge Generation?
Frère Matthew: Die jungen Leute zeigen großes Interesse an der Welt von heute, was ich wirklich schön finde. Das zeigt, dass sie sich kümmern und nicht gleichgültig sind. Sie brechen auch mit der Idee, dass jeder nur für sich selbst da ist. Sie verstehen, dass es wichtig ist, gemeinsam zu handeln und zusammen etwas zu erreichen.
Vor allem junge Menschen sind von der Klimakrise stärker betroffen als Ältere. Wie nimmt sich Taizé dieses Themas an?
Frère Matthew: Auch in Taizé achten wir sorgsam auf den Umweltschutz. Und es ist auch ein wichtiges ökumenisches Thema, denn dieses Anliegen reicht über die Grenzen der einzelnen Kirchen hinaus. Mitte März war ich zum Beispiel in Italien, in Assisi. Dort gab es eine Konferenz unter der Leitung der "Laudato Si"-Bewegung, die aus der Umwelt-Enzyklika von Papst Franziskus von 2015 hervorgegangen ist. Dort kamen Anglikaner, Lutheraner, Baptisten, Methodisten, Katholiken und Orthodoxe zusammen, um über das Thema des Schöpfungsfestes nachzudenken. Es gibt eine Bewegung, den 1. September, der in der orthodoxen Kirche das Fest der Schöpfung ist, zu einem Fest in allen Kirchen zu machen.
Wie sehen Sie die Zukunft der Ökumene?
Frère Matthew: Die ökumenische Bewegung muss immer wieder erneuert werden. Für Frère Roger, für unseren Gründer, war die Einheit der Christen nie ein Ziel an sich. Aber Christen können wie ein Katalysator des Friedens in der menschlichen Familie wirken. Das erstreckt sich auch auf die anderen Religionen. Wir haben seit rund sieben Jahren eine Woche der christlich-muslimischen Freundschaft, zu der Leute aus dem Islam eingeladen werden.
Wir in Taizé sehen zudem immer mehr, dass junge Menschen zu uns kommen, die keine Verbindung zur Kirche haben. Sie suchen einen Sinn in ihrem Leben und sind bereit, am Leben und Gebet einer christlichen Gemeinschaft teilzunehmen. Das ist eine Herausforderung.
In fast allen Kirchen weltweit sind Fälle von sexualisierter Gewalt dokumentiert. Auch Taizé wurde mit diesem Problem konfrontiert. Was haben Sie unternommen, um solche Taten in Zukunft zu verhindern?
Frère Matthew: Wir können keine Ereignisse entschuldigen, die eigentlich nicht hätten passieren dürfen. Und es geht immer darum, zuallererst auf die Stimmen der betroffenen Menschen zu hören. Uns geht es darum, zerstörtes Vertrauen wieder aufzubauen. Und das ist nie einfach. Wir sind immer im Prozess des Lernens. Sobald wir glauben, alle Fragen beantwortet zu haben, machen wir einen großen Fehler.
Was tun Sie konkret?
Frère Matthew: Unsere Freiwilligen bekommen bei ihrer Ankunft in Taizé eine Ausbildung. Für die Brüder gibt es eine kontinuierliche Weiterbildung. Wir haben jede Woche einen Workshop, in dem wir über diese Fragen sprechen. Das Wichtigste ist zu begreifen, dass wir das, was zerbrochen ist, nicht vollständig reparieren können. Diese Realität müssen wir akzeptieren. Aber wir können versuchen, aus der Vergangenheit zu lernen, indem wir den Betroffenen zuhören. So können wir jetzt effektiver handeln und einen sichereren Ort für die Zukunft schaffen.