Puccinis zielstrebiges Arbeiten
Puccini war ein gefühlsbetonter Mensch mit Hang zu sinnlichen Freuden, der auch vor außerehelichen Affären keinen Halt machte. Zudem hatte er von Jugend an ein Sendungsbewusstsein, ein klares Ziel. Seit er Giuseppe Verdis Oper „Aida“ gehört und festgestellt hatte, wie viel Erfolg – auch finanziellen – dieser damit hatte, war Puccinis Lebensentwurf klar gezeichnet. Er setzte auch alles daran, dieses Ziel zu erreichen.
Betritt man heute sein Geburtshaus in Lucca, scheint es, als sei sein Leben entsprechend verlaufen und habe nur aus Erfolgen bestanden. Doch dann fällt der Blick in diesem kleinen, aber feinen Museum auf das Autograf einer Partitur der heutigen „Messa di Gloria“, die Puccini im Jahr 1878 begann und zwei Jahre später vollendete – und die in der Tat eine ganz andere Geschichte erzählt.
Puccini wächst mit der Kirchenmusik auf
Puccini stammt aus einer Familie von Kirchenmusikern. Dieser Tradition sollte der Junge folgen, doch als er fünf Jahre alt ist, stirbt sein Vater. Angeblich soll der Priester bei der Beerdigung des Vaters gesagt haben, dass der Sohn in dessen Fußstapfen zu treten habe und man von ihm Großes auf diesem Gebiet erwarte.
Seine Mutter hatte zwar Schwierigkeiten, das notwendige Geld für die Ausbildung des talentierten Sohns aufzubringen. Doch es gelang und Giacomo besuchte in Lucca das „Istituto Musicale Pacini“, ein Konservatorium, in dem Wert auf eine konservative Musikausbildung gelegt wird.
Studium der Kirchenmusik und Arbeiten an Mess-Vertonung
Tonsatz, Harmonielehre, Kontrapunkt, Fugen – all das, was die Kirchenmusik seit Jahrhunderten geprägt hatte, stand auch hier auf dem Stundenplan. 1878, Puccini ist gerade einmal 19 Jahre alt, macht er sich an die Arbeit zu einem „Credo“, das er zunächst als selbstständiges Werk konzipiert, zwei Jahre später aber in eine vollständige Mess-Vertonung integriert.
Dieses „Credo“ zeigt, dass der junge Musiker sein Handwerk gelernt hat. Eigenwillig ist die Tonart c-Moll, eine eher feierlich-dunkle Harmonik, die Puccini mit kraftstrotzender Melodik füllt. Sein Glaubensbekenntnis drängt mit Triolen und punktiertem Rhythmus energisch vorwärts, ungestüm, bis es beim „Et incarnatus est“ in lichtes G-Dur wechselt. Hymnisch wirkt diese Vertonung der Menschwerdung des Göttlichen, bei der nun auch der solistische Tenor zum Chor tritt und einen opernhaften Gestus beisteuert.
Warum Puccinis „Credo” Vertonung schnell wieder verschwindet
Diese in Teilen weltliche Charakteristik und eine mitunter vordergründig wirkende, plastische Tonsprache führen Kritiker bis heute gegen Puccinis 45-minütige „Messa di Gloria“ an. Vielleicht liegt darin der Grund, warum das Werk trotz positiver Resonanz nach der Uraufführung in Lucca schnell wieder von der Bildfläche verschwand.
Um dieses Verschwinden ranken sich bis heute etliche Legenden. Die einen sehen konservative Geistliche am Werk, denen die Komposition zu diesseitig erschien. Andere glauben, dass Puccinis Lehrer am Konservatorium dahinterstecken: Sie sollen das Gefühl gehabt haben, ihr Schützling sei vom Pfad der musikalischen Tugend abgekommen.
Eine dritte Legende wiederum besagt, Puccini selbst habe die Partitur zurückgezogen. Fakt ist, dass er die Mess-Vertonung im Sommer 1880 als Abschlussarbeit am Konservatorium einreicht, sie dann aber trotz des Erfolgs vergessen wird und der 21-jährige Puccini danach seinem Leben eine radikale Wende gibt.