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Kirchengeschichte

Gleichberechtigung in der Kirche: Wie ging Jesus mit Frauen um?

Während Jesus Frauen voller Wertschätzung begegnete, verbreiteten Theologen in der Antike und im Mittelalter frauenfeindliche Ansichten, die sie biblisch begründeten. Das führte auch zu Gewalt. Von Nicole Marten

Fünf Frauen stehen nebeneinander und halten ein Papp-Schild in der Hand auf dem "Women" (Frauen) steht. Die Frauen haben einen ernsten Gesichtsausdruck.
Unsplash+/Getty Images

Jesus revolutionäre Begegnung mit einer Frau

Jesus ist durstig. Nach einer Zeit mit vielen Begegnungen geht er nach Galiläa und durchquert dabei Samarien. Die Samaritaner waren nicht sehr angesehen – fromme Juden machten einen Bogen um Samarien. Doch Jesus von Nazareth nicht. Er kommt um die ­Mittagszeit an und begegnet einer Frau an einem Brunnen, kommt mit ihr ins Gespräch. Zunächst über Alltägliches. Doch dann wird aus dieser unspektakulären Unterhaltung ein tiefgehendes Gespräch über schwierige Themen im Leben der Frau und über den Glauben an Gott.

Dass ein Jude in der Öffentlichkeit mit einer Frau spricht – das ziemte sich nicht. In der antiken Welt war der Platz von Frauen im Haus. In der ­Öffentlichkeit hatten sie zu schweigen, und fremde Männer hatten sie nicht anzusprechen. Als die Jünger auf die Szene am Brunnen treffen, sind sie deshalb verwundert.

Gleichberechtigung: War Jesus ein Feminist?

Sie sind sowieso immer wieder erstaunt, denn Jesus hat einen ganz anderen Blick auf Frauen als zu seiner Zeit üblich. Für ihn sind sie gleichberechtigte Diskussionspartnerinnen, die gleich viel wert sind wie die Männer, er blickt sie liebevoll an. Jesus hatte zudem Jüngerinnen, die mit ihm unterwegs waren. Sogar die ersten Zeuginnen seiner Auf­erstehung sind Frauen – sie, deren Wort vor Gericht nicht viel gilt.

Frauen im frühen Christentum 

In der jungen Christenheit waren Frauen Diakoninnen wie Phoebe (Römer 16,1), Gemeindeleiterinnen wie Chloe (1. Korinther 1,11) und Nymphia (Kolosser 4,15), sogar eine Apostelin wird genannt: Junia (­Römer 16,7). In der nachfolgenden Generation sind allerdings keine Frauen in Leitungspositionen mehr überliefert.

Welche negativen Sichtweisen auf Frauen gibt es im Neuen Testament:

Paulus schreibt: die Frau ist eine sekundäre Schöpfung aus dem Mann (1. Timotheus 2,13-15) und bezieht sich auf den zweiten Schöpfungsbericht. Darin heißt es, dass die Frau aus der Rippe des Mannes genommen sei (1. Mose 2,21), während der erste Schöpfungsbericht davon spricht, dass Gott den Menschen männlich und weiblich geschaffen hat, zum Bilde Gottes (1. Mose 1,27). Paulus geht noch weiter: Weil sich Eva, eine Frau, von der Schlange verführen ließ, trage sie die Hauptschuld am Sündenfall.

Theologischer Ursprung frauenfeinlicher Ansichten

Diese und andere Bibelstellen führten dazu, dass Kirchenväter, wie etwa Augustinus von Hippo (4./5. Jahr­hundert), die Schuld für den Sündenfall Eva und damit der Frau zuschrieb. So wurde die Frau zur Trägerin der Erbsünde. Zudem interpretierte Augustinus den Sündenfall als sexuelles Geschehen. Denn im Paradies habe es zwar Fortpflanzung gegeben, aber ohne sexuelle Lust. Deshalb sind Lust und sexuelle Befriedigung für ihn sündhaft, die Keuschheit hin­gegen ist eine wichtige Tugend.

Die größte Gefahr, unkeusch zu ­werden, gehe von der Frau aus. Für Augustinus ist sie ein Synonym für Begierde, Lust, Geschlechtlichkeit und Zügellosigkeit. Die Frau stehe dem Heil des Mannes im Wege. Frauen könnten nur gerettet werden und das ewige Leben erhalten durch ein bußfertiges, asketisches Leben. Am besten zurück­gezogen, im Studium der heiligen Schriften.

Ein gemaltes Porträt von Thomas von Aquin. Er trägt einen goldenen Hut (ähnlich einem Heiligenschein) auf dem Kopf und hält ein Tintenfass und eine Feder in der Hand sowie ein rotes Buch.
epd-bild/akg-images
Porträt von Thomas von Aquin (zugeschrieben Sandro Botticelli).

Negative Sicht auf Frauen im Mittelalter verschärft

In der mittelalterlichen Theologie sticht besonders Thomas von Aquin (13. Jahrhundert) hervor. Er knüpfte an Augustinus an, verschärfte aber die negative Sicht auf Frauen: Sie seien schon von Natur aus minderwertige Wesen, nicht erst durch den Sündenfall. Die Frau ist seiner Ansicht nach eine Missbildung der Natur, eine Vorstufe zum Mann mit begrenztem Verstand. Selbst die Kinder könne sie nicht richtig erziehen, das könne nur der Mann.

Andere, frauenfreundlichere Theologen wie Petrus Abeleardus oder Theologinnen wie Hildegard von Bingen (beide 11./12. Jahrhundert) waren Ausnahmen und drangen in der Breite der theologischen De­batten des Mittelalters nicht durch. Stattdessen fasste der „Hexen­hammer“ die Argumentationen von Augustinus und Thomas von Aquin im 15. Jahrhundert zusammen und verschärfte sie. Inquisitor Heinrich Kramer – und möglicherweise Jakob Sprenger – begründeten so Hexenverfolgungen und -verbrennungen. Diese wurden sogar vom Reformator Martin Luther befeuert.

Pietismus förderte die Frauen 

Eine Gegenbewegung zu frauenfeindlichen Tendenzen kam erst mit dem Pietismus auf. Weil dieser sich am Urchristentum orientierte, ging er von der Gleichheit von Männern und Frauen aus als Schwestern und Brüder. So gab es am Ende des 17. Jahrhunderts viele Schriftstellerinnen, die Lieder, Gedichte und ­sogar theologische Abhandlungen schrieben. Schulbildung für Mädchen wurde unter anderem von August Hermann Francke gefördert. Freilich blieben Leitungsämter für Frauen in den Gemeinden aus­geschlossen.

Timeline: Emanzipation von Frauen in der Kirche

  • Im 19. Jahrhundert ermöglichten Diakonissenhäuser Frauen eine Ausbildung in Erziehung und Pflege
  • Ab 1900 können Frauen Theologie studieren (in Heidelberg und Freiburg), ohne Zulassung zu den Kirchenprüfungen
  • 1907 in Jena: erste promovierte Theolgin Carola Barth
  • 1916 wurde Elsbeth Oberbeck als erste Frau zu den kirchlichen ­Examina zugelassen (badische Landeskirche)
  • Doch keine gleichberechtigte ordination als Pfarrerinnen: Frauen wurden Vikarinnen oder Pfarrvikarinnen mit den Aufgaben Religions­unterricht, Seelsorge und Mädchenarbeit
  • Im Zweiten Weltkrieg waren Pfarrstellen vakant, Theologinnen sprangen ein, ohne rechtliche Absicherung, ohne Ordination
  • Nach dem Zweiten Weltkrieg: Frauen wurden aus dem Pfarramt verdrängt, löst Diskussion aus
  • Beginn der Frauenordination
  • 1991 führt Schaumburg-Lippe als letzte Landeskirche in Deutschland die Frauenordination ein