Jesus ist durstig. Nach einer Zeit mit vielen Begegnungen geht er nach Galiläa und durchquert dabei Samarien. Die Samaritaner waren nicht sehr angesehen – fromme Juden machten einen Bogen um Samarien. Doch Jesus von Nazareth nicht. Er kommt um die Mittagszeit an und begegnet einer Frau an einem Brunnen, kommt mit ihr ins Gespräch. Zunächst über Alltägliches. Doch dann wird aus dieser unspektakulären Unterhaltung ein tiefgehendes Gespräch über schwierige Themen im Leben der Frau und über den Glauben an Gott.
Dass ein Jude in der Öffentlichkeit mit einer Frau spricht – das ziemte sich nicht. In der antiken Welt war der Platz von Frauen im Haus. In der Öffentlichkeit hatten sie zu schweigen, und fremde Männer hatten sie nicht anzusprechen. Als die Jünger auf die Szene am Brunnen treffen, sind sie deshalb verwundert.
Sie sind sowieso immer wieder erstaunt, denn Jesus hat einen ganz anderen Blick auf Frauen als zu seiner Zeit üblich. Für ihn sind sie gleichberechtigte Diskussionspartnerinnen, die gleich viel wert sind wie die Männer, er blickt sie liebevoll an. Jesus hatte zudem Jüngerinnen, die mit ihm unterwegs waren. Sogar die ersten Zeuginnen seiner Auferstehung sind Frauen – sie, deren Wort vor Gericht nicht viel gilt.
In der jungen Christenheit waren Frauen Diakoninnen wie Phoebe (Römer 16,1), Gemeindeleiterinnen wie Chloe (1. Korinther 1,11) und Nymphia (Kolosser 4,15), sogar eine Apostelin wird genannt: Junia (Römer 16,7). In der nachfolgenden Generation sind allerdings keine Frauen in Leitungspositionen mehr überliefert.
Paulus schreibt: die Frau ist eine sekundäre Schöpfung aus dem Mann (1. Timotheus 2,13-15) und bezieht sich auf den zweiten Schöpfungsbericht. Darin heißt es, dass die Frau aus der Rippe des Mannes genommen sei (1. Mose 2,21), während der erste Schöpfungsbericht davon spricht, dass Gott den Menschen männlich und weiblich geschaffen hat, zum Bilde Gottes (1. Mose 1,27). Paulus geht noch weiter: Weil sich Eva, eine Frau, von der Schlange verführen ließ, trage sie die Hauptschuld am Sündenfall.
Diese und andere Bibelstellen führten dazu, dass Kirchenväter, wie etwa Augustinus von Hippo (4./5. Jahrhundert), die Schuld für den Sündenfall Eva und damit der Frau zuschrieb. So wurde die Frau zur Trägerin der Erbsünde. Zudem interpretierte Augustinus den Sündenfall als sexuelles Geschehen. Denn im Paradies habe es zwar Fortpflanzung gegeben, aber ohne sexuelle Lust. Deshalb sind Lust und sexuelle Befriedigung für ihn sündhaft, die Keuschheit hingegen ist eine wichtige Tugend.
Die größte Gefahr, unkeusch zu werden, gehe von der Frau aus. Für Augustinus ist sie ein Synonym für Begierde, Lust, Geschlechtlichkeit und Zügellosigkeit. Die Frau stehe dem Heil des Mannes im Wege. Frauen könnten nur gerettet werden und das ewige Leben erhalten durch ein bußfertiges, asketisches Leben. Am besten zurückgezogen, im Studium der heiligen Schriften.