Kirchenjahr

Was hat es mit dem Totensonntag auf sich?

Heißt der letzte Sonntag im Kirchenjahr „Ewigkeitssonntag“ oder „Totensonntag“? Und was feiern Christinnen und Christen an diesem Tag eigentlich? Von Henrike Frey-Anthes

Grab im Herbst
epd-bild/Norbert Neetz

Der Blick ins Internet erscheint eindeutig: Gibt man das Wort „Ewigkeitssonntag“ ein, trifft man sofort auf „Totensonntag“. So auch die Überschrift bei Wikipedia. Erst etwas weiter unten, auf der EKD-Seite oder der Seite der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, landet man beim Wort „Ewigkeitssonntag“. Dabei gibt es den Totensonntag noch gar nicht so lange und er hat noch nicht einmal einen liturgischen Ursprung.

Die Geschichte des Totensonntags: Ein Fest mit preußischen Wurzeln

Am 17. November 1816 erklärte der preußische König Friedrich Wilhelm III. per Kabinettsorder den letzten Sonntag des Kirchenjahres zum „allgemeinen Kirchenfest zur Erinnerung an die Verstorbenen“. Das hatte wohl verschiedene Gründe. In den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815, die mit dem Ende der Herrschaft Napoleons endeten, waren viele Menschen umgekommen. Außerdem war seine geliebte Frau, Königin Luise, 1810 gestorben. Zudem fehlte dem evangelischen Kirchenjahr eine Entsprechung zu Allerseelen, an dem katholische Christinnen und Christen ihrer Verstorbenen gedenken.

So kommt es, dass der letzte Sonntag des Kirchenjahres zwei Überschriften hat: „Ewigkeitssonntag“ und „Sonntag der Entschlafenen“ („Totensonntag“). Der Totensonntag steht unter dem Wochenspruch „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“ (Ps 90,12). Er bittet damit um lebenspraktische Weisheit für einen guten Umgang mit der eigenen Endlichkeit, damit das Leben in der Gemeinschaft gelingt.

Christusfeste finden statt:

  • von Weihnachten bis zum letzten Sonntag nach Epiphanias
  • Gründonnerstag
  • von Ostern bis zum Sonntag Exaudi
  • Trinitatis
  • Tag der Geburt Johannes des Täufers
  • Michaelistag

Zwei Akzente, ein Sonntag: Totensonntag und Ewigkeitssonntag

Der letzte Sonntag im Kirchenjahr hat also zwei Akzente: Als Totensonntag ist er ein Tag der persönlichen Erinnerung, des Abschiednehmens und des Trostes, als Ewigkeitssonntagschaut er auf Gottes neue Welt. Beides ist durch die Auferstehungshoffnung verbunden. Darum ist die Farbe des Sonntags in beiden Fällen österlich weiß, wie alle Christusfeste. 

Die liturgische Gestaltung des Gottesdienstes: Ein wichtiger Teil der Trauer

In der Regel wird in unseren Gemeinden der Ewigkeitssonntag als Totensonntag gefeiert – oder umgekehrt. In einigen Gemeinden werden auch zwei Gottesdienste angeboten: vormittags in der Kirche, im Anschluss oder am Nachmittag auf dem Friedhof. Dann hat der Vormittagsgottesdienst oft den Akzent Ewigkeitssonntag, der auf dem Friedhof hat den Schwerpunkt Totensonntag.

Die Erinnerung an die Verstorbenen: Ein zentraler Teil des Gottesdienstes

Mit welchen Hoffnungen, welchem Schmerz, guten und bösen Erinnerungen sind die Menschen in der Kirche? Nicht jeder Tod war friedlich und nicht jeder Abschied versöhnlich. Dazu kommt, dass wir über unsere Auferstehungshoffnung nur in Bildern sprechen können und unsere Worte dafür oft nicht ausreichen. Darum ist im Gottesdienst neben Lesung und Predigt, Liedern und Musik die liturgische Gestaltung wichtig.

Frau kniet vor Grab auf dem Blumen liegen und hält sich ein Taschentuch unter die Nase.
Unsplash+/Curated Lifestyle
Trauernden beistehen – das ist am Ewigkeitsonntag wichtig.

In der Trauer nicht alleine sein

Im Mittelpunkt des Gottesdienstes steht die Erinnerung an die im letzten Jahr Verstorbenen. Bereits einige Wochen vor dem Gottesdienst werden die Menschen eingeladen, die im vergangenen Jahr jemanden beerdigen mussten. Sie sollen im Gottesdienst noch einmal Gelegenheit haben, sich zu erinnern und zu verabschieden. Diesmal geschieht das nicht im persönlichen Rahmen der Beerdigung, sondern inmitten der Gemeinde. So zeigt die Gemeinde den Trauernden, dass sie weder in ihrer Trauer noch mit ihrer Hoffnung allein sind.

Entzündung von Kerzen für die Verstorbenen

Zentral im Gottesdienst ist das laute Verlesen der Namen der Verstorbenen. Der Name ist in der biblischen Tradition Ausdruck der Persönlichkeit eines Menschen. Durch die Namensnennung sind die Verstorbenen vor Gott und der Gemeinde präsent. Für jeden Namen wird an der Osterkerze eine Kerze entzündet. So wird deutlich, dass die Auferstehungshoffnung und die Trauer um die Verstorbenen zusammengehören.

Dass die Kerzen an der Osterkerze entzündet werden, hat noch einen anderen Grund: Die Osterkerze brennt auch bei der Taufe, an ihr entzünden wir die Taufkerzen. Das Licht der Osterkerze soll daran erinnern, dass das Leben von der Geburt bis zum Tod und darüber hinaus in Gottes Hand liegt. Die Worte, die zur Taufliturgie gehören, versprechen, dass der Name des Täuflings bei Gott aufgehoben ist.

Die Feier des Abendmahls: Eine Antwort auf die Frage, wo die Toten sind

Eine weitere Tradition ist die Feier des Abendmahls am Ewigkeits- oder Totensonntag. Das Abendmahl ist eine sichtbare, sinnlich erfahrbare Antwort auf die Frage, wo die Toten sind: Sie gehören zur Gemeinschaft derer, die Abendmahl feiern.

Die gesamte Gemeinde, also die, die vor uns waren, wir selbst und die, die nach uns kommen werden, sind in Jesus Christus verbunden. Im Abendmahl erinnert sich die Gemeinde an den Auferstandenen, der sagte: „Tut es zu meinem Gedächtnis“, und an die Verstorbenen.