Glaube und Krisen

Hoffnung in Krisenzeiten: Wie Glaube durch dunkle Zeiten trägt

Die Welt steckt in einer tiefen Krise, doch gibt es Hoffnung. Erfahren Sie, wie die Hoffnung uns durch die dunkelsten Zeiten trägt und wie wir sie in unserem Leben kultivieren können Von Steffen Kern

Straßenschild auf dem "Hope St" (Hoffnungsstraße) steht
Unsplash/Jon Tyson
Kleine Zeichen der Hoffnung: Die „Hoffnungsstraße”.

Die Krisen unserer Zeit: Ein Überblick

Selten gab es „so viel Krise“ und so wenig Hoffnung. „Krisenmodus“ heißt das „Wort des Jahres“ 2023. Seither ist es kaum besser geworden. Wir haben die Stichworte sofort parat: Ukraine, Israel und Gaza. Putin, Trump und Selenskyi – und wir halten den Atem an. Von Inflation und Migration, von der immer noch nicht ganz verdauten Pandemie, dem Klimawandel und den persönlichen Krisen ganz zu schweigen. Krisen sind real. Und wie auch immer wir manche Einzelfragen beurteilen: Wir sind zutiefst verunsichert. Wir wissen nicht, was wird. Aus der Welt. Aus uns. Der erste Satz von Herbert Grönemeyers aktuellem Stück bringt es auf den Punkt: „Hoffnung ist gerade schwer zu finden – ich suche sie.“

„Die Grundangst der Moderne”

Der Soziologe Hartmut Rosa stellt fest: Es gibt eine „elementare und konstitutive Grundangst der Moderne“: Längst treibe uns nicht mehr die Lust, mehr zu erreichen, sondern die Angst, alles zu verlieren: „Es ist nicht die Gier nach mehr, sondern die Angst vor dem Immer-weniger“, die uns bestimmt. Dies zeige sich auch darin, „dass die Mehrzahl der Eltern nicht mehr von der Hoffnung motiviert wird, dass es die Kinder einmal besser haben mögen als sie selbst, sondern von dem Verlangen, alles zu tun,  damit es ihnen nicht schlechter geht.“ Angst nimmt die Freiheit, nach vorne zu denken und zu handeln. Sie ruft Scharlatane auf den Plan: die Welt-Erklärer, die Mythen-Erzähler, die Seelenfänger. Im Klima der Angst hat Manipulation Konjunktur.

Leben nach Regeln soll Zukunft für alle ermöglichen

Wir nennen uns Homo sapiens, den verstehenden, verständigen, weisen, klugen, vernunftbegabten Menschen. Die Vernunft gehört wesentlich zum Menschsein. Aber das ist nicht alles. Der Mensch ist auch ein hoffendes Wesen. Der Mensch ist das Wesen auf der Welt, das einen Auftrag hat, so heißt es ganz am Anfang der Bibel. Der Mensch soll die Erde bebauen und bewahren. Er soll sie fruchtbar machen. Er soll auch selbst Kinder bekommen.

Die Gebote und Gesetze, die er halten soll, dienen dazu, eine lebbare Zukunft zu ermöglichen: die Eltern achten und respektieren, nicht töten, nicht ehebrechen, nicht lügen, nicht stehlen, nicht begehren, was anderen gehört – alles ist darauf ausgerichtet, dass das Leben Bestand hat. Die Gesetze sind getragen von der Hoffnung, dass das Leben auch in Zukunft nicht im Chaos versinkt. Sie gründen in der Hoffnung, dass noch etwas werden wird.

Die Macht der Hoffnung: Ein Blick in die Bibel

Seit der Schöpfung ist klar: Es ist nicht aller Tage Abend. Der weise König Salomo schrieb dazu: Gott „hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende“ (Prediger 3,11). Eine andere Übersetzungsmöglichkeit wäre: „Auch die ferne Zeit hat er ihnen ins Bewusstsein gegeben.“

Anfang und Ende können die Menschen nicht überschauen. Aber sie haben einen Sinn für das Zeitliche, das Kommende, einen Sinn für das Morgen. Die Zukunft wird mit Spannung erwartet und gestaltet. Menschsein heißt, der Zukunft entgegen zu leben. Sich nicht einfach mit dem Gestern abzufinden und im Heute einzurichten, sondern nach vorne ausgerichtet zu sein.

Hoffen als Lebensprinzip: Die Bedeutung von „qiwah”

Im Hebräischen heißt Hoffen „qiwah“. Der Begriff taucht in verschiedenen Formen 82-mal in der hebräischen Bibel auf. Der Wortstamm bedeutet auch „eine Messschnur spannen“ oder „ein Seil spannen“. Ein verwandter Begriff kann zudem für „Spannkraft“ stehen. Das macht deutlich, was Hoffen bedeutet: mit gespannter Erwartung schnurgerade nach vorne ausgerichtet zu sein und zielorientiert zu leben.

Die Zukunft im Blick: Wie die Hoffnung uns nach vorne führt

Stell dir vor, du spannst eine Schnur, um ein Gartenbeet abzustecken. An einer Stelle wird ein Pflock in die Erde geschlagen. Daran wird die Schnur befestigt und gespannt. An einem zweiten Pflock, der am Ende des Beetes eingeschlagen wird, bindest du sie fest. Entlang dieser Schnur gräbst du die Erde um, säst die Blumen. Schnurgerade.

Genau das heißt Hoffen: Der eine Pflock ist da, wo wir sind – hier in unserer Krise. Der andere Pflock ist in dem, was uns versprochen ist und was wir erhoffen. Hoffnung ist die Spannkraft menschlicher Existenz. Die Dynamik des Lebens. Wir sind wesenhaft Hoffende. Wir sind dazu berufen, Hoffnungsmenschen zu sein. Genau darum ist das Seil das Titelbild des Buches und des Podcasts „Hoffnungsmensch“. Denn in den Krisen sind wir nicht allein: Wir halten die Hoffnung fest.

Gott als Anker der Hoffnung: Die hebräische Perspektive

Im Hebräischen ist auch von „zaghaftem Zaudern“ die Rede. Gemeint ist ein geduldiges stilles Zuwarten, manchmal auch ein Zögern. Das ist ebenfalls eine Seite der Hoffnung. Hoffen heißt nicht, immer euphorisch, siegessicher und voller Optimismus dem Himmel entgegen zu tanzen. Der Zweifel gehört dazu, das Zögern und Zaudern. Das ist die sehr erdverbundene Seite der Hoffnung. Aber das Zaudern ist eine Begleiterscheinung der Hoffnung, nicht ihr Wesen.

Der ganze Mensch hat einen Fokus: Leben. Überleben. Nach vorne leben. Er ist auf Zukunft hin angelegt. Natürlich, so sehr der Mensch auch die Zukunft im Blick hat, so wenig hat er sie im Griff. Alles, was kommt, bleibt unverfügbar. Der letzte Grund der Hoffnung liegt nicht in uns selbst. Für die Hebräer ist klar: Gott ist der Anker unserer Hoffnung. Bei ihm binden wir unser Hoffnungsseil fest. Das andere Ende halten wir. Und wir gehen unser Leben lang gespannt und erwartungsvoll an diesem Seil entlang.

Das zeigt sich in der hebräischen Bibel schon sprachlich. Das Wort „hoffen“ ist 53-mal direkt auf Gott bezogen. Auf den Gott, der einen Namen hat: „Jahwe“. So hat er sich Mose vorgestellt. „Jahwe“ heißt so viel wie: „Ich bin der, der für euch da ist und immer für euch da sein wird.“ So lässt sich Gott ansprechen. Er wird nennbar. Er macht sich bekannt. Von ihm kommt unser Leben her. Auf ihn gehen wir zu. Er ist der Begleiter unseres Lebens. Das verspricht er. Er ist der Gott der Hoffnung. Darum hoffen die Menschen auf ihn, auf seine Versprechen.

Die Erfüllung der Hoffnung: Das Versprechen in Jesus Christus

Hoffen heißt, zu erwarten, dass Gott seine Versprechen erfüllt. Dass er Wort hält. Darum ist für die Menschen der Bibel und für Glaubende bis heute die Hoffnung begründet. Für sie ist die Leerstelle jenseits des Fassbaren, Sichtbaren und Berechenbaren gefüllt: Mit den Zusagen Gottes. Die größte liegt in Jesus Christus, der von den Toten auferstanden ist. Damit durchbricht die Hoffnung den letzten Horizont. Das Versprechen: „Ich lebe und ihr sollt auch leben“ (Johannes 14,19).

Ja, auch das sind „nur Worte“. Dass sie tragen, erfährt nur, wer beginnt, sich auf sie zu verlassen. Hoffen ist das Experiment, sich auf ein Versprechen zu verlassen, dessen Erfüllung noch aussteht. Das Erstaunliche ist, dass viele Menschen dabei tatsächlich getragen werden.

Steffen Kern moderiert den Podcast „Hoffnungsmensch”.