Nahostkonflikt

Israel-Palästina: Das Leid der anderen spüren

Der Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 war ein Einschnitt für die „Combatants for Peace“. Doch die israelisch-palästinensische Initiative setzt sich weiter für ein friedliches Zusammenleben ein. Von Elisa Rheinheimer (epd)

Menschen bei einer Protestaktion der Initiative "Combatants for Peace".
Pressebild/Combatants for Peace/Rana Salman
Die Protestaktion der Initiative "Combatants for Peace" im Februar 2024 an der Almog-Kreuzung im Gebiet Jericho fordert das Ende des Krieges.

Israelis und Palästinenser arbeiten zusammen

Gemeinsam an einem Tisch sitzen, dem Gegenüber zuhören, zusammen trauern: In der Friedensorganisation „Combatants for Peace“ arbeiten Israelis und Palästinenser seit rund 20 Jahren zusammen und bauen Brücken zwischen ihren Gesellschaften. Die Angriffe der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 waren „ein Schock für uns“, sagt die Palästinenserin Rana Salman. Diese hätten die Bewegung zutiefst erschüttert, betont die Co-Vorsitzende der 2006 gegründeten Graswurzelbewegung. „Nach so viel vorangegangener Ungerechtigkeit, der zunehmenden Gewalt der Siedler und dem Ausmaß an Hass und Spaltung hatten wir ­damit gerechnet, dass etwas pas­sieren würde“, sagt Salman. „Aber dass es so schlimm sein würde, hatte niemand erwartet.“

„Combatants for Peace“ setzen sich für Verständigung ein

Die Organisation, deren Name „Kämpfer für den Frieden“ bedeutet, entstand aus ehemaligen Angehörigen der israelischen Armee sowie militanten Palästinensern. Beide Seiten kennen die leidvolle Spirale aus Gewalt und Gegengewalt. Nun setzen sie sich für Verständigung ein. So organisieren sie jährlich einen Gedenktag für alle Opfer der israelisch-palästinensischen Kriege und Konflikte.

Seit dem 7. Oktober 2023 ist alles anders

Die Gewalt vom 7. Oktober 2023 und ihre Folgen haben die Arbeit der Friedensaktivisten auf eine harte Probe gestellt. Viele Aktivitäten mussten zunächst eingestellt werden, weil es überall Straßensperren gab und kein Durchkommen möglich war. So stellten sie auf Online-Arbeit um, bevor persönliche Treffen wieder möglich waren.

„Geholfen hat uns, dass unsere Organisation ein starkes Fundament hat“, sagt Salman. „Bei unseren Treffen schaffen wir einen sicheren Raum, um Gefühle und Ängste zu teilen. Wir spüren den Kummer des anderen, wir trauern gemeinsam, wir klagen gemeinsam.“ Es gehe um aktives Zuhören.

Es ist kein Wettbewerb, wessen Schmerz größer ist, wer mehr ver­loren hat oder wer das Opfer ist.

sagt Rana Salman

Salmans israelischer Kollege Yair Bunzel sagte einmal in einem Interview: „Wenn das eigene Herz voller Angst, Schmerz und Wut ist, dann wird es schwierig, noch Platz zu finden für den Feind und sein Leiden.“

Nach dem 7. Oktober herrschte zunächst große Sprachlosigkeit. Isra­elische Mitglieder fanden es befremdlich, dass sich die palästinensischen Kolleginnen nicht sofort nach ihnen erkundigten und das Ausmaß der Brutalität allem Anschein nach nicht begriffen. Durch Gespräche wurde klar, dass die palästinensischen Medien nur Bilder fallender Grenzzäune gezeigt hatten und die Massaker verschwiegen. Rana Salman hat erst über die sozialen Medien erfahren, was wirklich los war. Da sei das Beschämen groß gewesen, sagt sie.

Manche Mitglieder sind ausgetreten. Andere suchen die Nähe und Zusammenarbeit gerade jetzt. Dass direkt nach dem Angriff viele internationale Finanzierungszusagen gekürzt, gestoppt oder verzögert wurden, hat die Gruppe enttäuscht. Bestürzt habe sie das teilweise in Europa v­orherrschende Bedürfnis, einseitig Partei zu ergreifen.

Der Nahostkonflikt ist doch kein Fußballspiel, bei dem man sich für eine Seite entscheidet.

sagt Rana Salman

Gerade in diesen Zeiten sei die Investition in Friedensarbeit unerlässlich. Von den Kirchen in Deutschland wünscht sich Salman mehr Unterstützung und Solidarität, „aber nicht nur für Palästinenser“. Gemeinden und Gläubige sollten binationale Initia­tiven unterstützen, die Menschen an einen Tisch bringen – so wie ihre Organisation.