Die Frau am anderen Ende der Leitung ist verzweifelt. Erst die Scheidung, dann der Arbeitsplatzverlust. Jetzt wolle sie allem ein Ende setzen und sich mit ihrer sechsjährigen Tochter von einem Hochhaus stürzen. In Situationen wie diesen sind Bernd Müller und seine Mitstreiter hellwach.
Wenn ein Anrufer Suizidgedanken äußert, sollte man das immer ernst nehmen
sagt Bernd Müller
Ratsam sei es, konkret nachzufragen, was derjenige plane und wer davon alles betroffen wäre, rät Müller. Oft helfe es Menschen mit Suizidabsichten bereits, wenn sie mit jemandem über ihre Gedanken sprechen könnten. Zugleich sei es für Seelsorger aber wichtig, die Entscheidung bei dem anderen zu belassen und sie sich nicht selbst aufzuladen.
Bernd Müller ist stellvertretender Leiter der katholischen Telefonseelsorge "Ruf und Rat" in Stuttgart. 33054 Anrufe gingen im vergangenen Jahr bei der katholischen und der evangelischen Telefonseelsorge in der Schwabenmetropole ein. "Wir sind damit an der Grenze dessen, was wir leisten können", sagt Müller. Die Telefone stünden eigentlich nie still. Fast 25000 Stunden hätten die 185 ehrenamtlichen Mitarbeiter der beiden Telefonseelsorgestellen 2023 am Telefon verbracht. Durchschnittlich 22 Minuten dauerte ein Telefonat.
Die von den Anrufern am häufigsten genannten Themen:
Bei der Seelsorge via E-Mail oder Chat, die die beiden Telefonseelsorgestellen auch anbieten, spielten Suizid-Absichten noch eine deutlich größere Rolle, so Martina Rudolph-Zeller, Leiterin der evangelischen Telefonseelsorge. In der Chatberatung drehten sich im vergangenen Jahr 26 Prozent der Gespräche um Selbsttötungsgedanken, in der E-Mail-Seelsorge gar 43 Prozent.
Sätze wie "Wenn ich nicht mehr da bin, vermisst mich eh keiner" oder "Mein Leben macht doch keinen Sinn mehr. Was soll das noch?" seien keine Seltenheit. Ziel der Telefonseelsorger sei es, den Anrufer aus seiner Perspektivlosigkeit und seinem Tunnelblick zu befreien, so Rudolph-Zeller. Wenn einen dann irgendwann eine Nachricht erreiche mit den Worten "Der Kontakt hat mir sehr geholfen, Danke dafür", wisse man, warum man diese Arbeit macht, meint sie.