Wer Charlotte Knobloch überhaupt ist, wissen hier im Geschichtskurs nicht alle. Die jungen Leute sind 16 oder 17 Jahre alt. „Ist sehr interessant und sehr gut gemacht“, sagt Medi zu dem Virtual-Reality-Projekt mit dem Titel „Inside Pogromnacht“. Vieles wisse er schon vom Geschichtsunterricht, aber ein „Rundgang“ mit VR-Brille sei schon nochmal etwas anderes. Es sei das erste Mal, dass er direkt mit einem NS-Zeitzeugen zu tun habe – wenn auch nur in virtueller Form, sagt Olivier. Für ihn habe es sich angefühlt, als spreche da ein echter Mensch zu ihm.
Schwindende Zahl an Zeitzeugen erfordert Innovation
Die Tatsache, dass es in naher Zukunft keine NS-Zeitzeugen mehr gibt, war einer der Gründe, warum die Claims Conference (New York), die seit 1951 die Interessen von jüdischen Opfern des Nationalsozialismus vertritt, das Projekt „Inside Pogromnacht“ ins Leben gerufen hat.
Der europäische Claims-Conference-Vertreter Rüdiger Mahlo sagte bei der Präsentation in München, er sehe die Begegnung mit virtuellen Zeitzeugen wie Charlotte Knobloch als eine „emotionalisierte Form“, künftige Generationen an das Thema heranzuführen. Das St.-Anna-Gymnasium sei die erste Schule weltweit, die das Projekt testen dürfe.
Emotionen der jungen Charlotte Knobloch erleben
Währenddessen spricht erneut die virtuelle Charlotte Knobloch. Sie erzählt von dem Moment, in dem sie während der Pogromnacht am 9. November 1938 die alte Ohel-Jakob-Synagoge in der Münchner Innenstadt gesehen hat, die die Nationalsozialisten in Brand gesteckt hatten. „Warum kommt denn nicht die Feuerwehr“, habe sie sich als kleines Mädchen damals gefragt. Sie habe damals auch nicht verstanden, was überhaupt Juden seien.
Sie habe bis heute ein „ungutes Gefühl“, wenn sie das Wort „Jude“ höre, fühle sich immer noch ausgestoßen, erzählt sie. Überlebt habe sie die NS-Zeit nur, weil ihr Vater sie in die Obhut von Zenzi gegeben habe, der katholischen Haushälterin ihres Onkels, die auf einem Bauernhof in Mittelfranken lebte. Sie sei dort als ihr uneheliches Kind ausgegeben worden. Fortan habe sie sich Lotte Hummel nennen müssen.