Gott ist allmächtig, er sieht alles, weiß alles, kann alles und hört unsere Gebete. Davon sind wir als Christen überzeugt, und so erklären wir es unseren Kindern. Aber warum regnet es dann an meinem Geburtstag in Strömen, obwohl ich doch um gutes Wetter gebetet habe? Hört Gott nicht hin, wenn ich ihn bitte, dass die Versöhnung mit der besten Freundin gelingt? Warum muss ein lieber Mensch trotz innigen Gebets sterben?
Die meisten Menschen machen solche Erfahrungen. Dabei sind die Verheißungen in der Bibel doch so klar und vielversprechend. Jesus ermutigt zum Gebet, wenn er sagt: „Bittet, so wird euch gegeben“ (Matthäus 7,7) oder „Was auch immer zwei von euch auf Erden einmütig erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten.“ (Matthäus 18,19). Mit dem Vaterunser gibt er eine konkrete Gebetsanleitung an die Hand. Wenn dann im Gebet vorgebrachte Bitten scheinbar unerhört bleiben oder mit einem Nein beschieden werden, bewirkt das Enttäuschung, Frust, ja Verärgerung.
Das Problem an dieser zutiefst verunsichernden Erfahrung ist, dass es eine alle Fragen ausräumende Antwort schlichtweg nicht gibt. Das muss sich jeder Betende eingestehen und das sollten Eltern und Großeltern auch ihren Kindern und Enkeln ehrlich sagen. Erwachsene müssen nicht immer auf alles eine Antwort haben. Wichtig ist , die Fragen des Kindes ernst zu nehmen, sich damit zu beschäftigen und zu trösten: „Ich weiß nicht, warum Gott nicht das gemacht hat, worum du ihn gebeten hast. Und ich kann verstehen, dass du traurig bist!“
Wer sich weiter auf die Suche nach Begründungen macht, sollte nicht der Gefahr erliegen, Kleinglaube, falsche Wortwahl oder gar eigene Schuld für ein nicht erhörtes Gebet verantwortlich zu machen. Gott ist kein hartherziger Verwalter, der auf seiner Checkliste Kriterien abhakt. Er ist aber auch nicht der bequeme Gebetsautomat und blinde Wunscherfüller, den wir uns in unseren Träumen ausmalen.
Gott lässt sich weder von den Pharisäern zu Beweisen zwingen (Matthäus 16,7) noch beim sterbenskranken Lazarus zur Eile drängen oder einen menschlichen Zeitplan diktieren (Johannes 11,1). Und manchmal ist eben auch ein Nein eine Antwort – entgegen aller menschlichen Erwartung und ganz im Sinne einer Weisheit, die weit über die menschliche Weisheit hinausgeht. Gott ist eben Gott: „Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege“ (Jesaja 55,8), umschreibt der Prophet Jesaja die alles Menschliche übersteigende Logik Gottes. Wir müssen also wohl oder übel Gottes Unverfügbarkeit anerkennen und akzeptieren, dass wir manches vielleicht erst im Nachhinein und mit Blick auf das große Ganze verstehen werden. Oder wäre es tatsächlich gut, wenn am Geburtstag jedes einzelnen Menschen die Sonne für die Gartenparty schiene, aber dafür Tiere verdursteten und Felder vertrockneten?
In der Bibel zeigt sich, dass wir mit nicht erhörten Gebeten in bester Gesellschaft sind: Mose hatte sich so sehr gewünscht, in das gelobte Land einzuziehen, doch er stirbt vorher. Obwohl David mit Fasten und Beten um die Genesung seines Kindes bittet, stirbt es. Und sogar Jesus fleht kurz vor seinem Tod im Garten Gethsemane seinen himmlischen Vater an, dass der Kelch des Leides an ihm vorübergehe.
Die volle Härte des Lebens mit Krankheit, Tod und Verlust trifft auch Hiob. Er verliert alles und hat daraufhin genau dieselben Fragen wie wir, er hadert, zweifelt, schimpft, schleudert Gott seinen Zorn entgegen. Er findet keine Antwort auf sein Leid und das Schweigen Gottes. Und doch bleibt er mit ihm in Kontakt, wendet sich in einer Art trotzigen Glaubens immer wieder an den Einzigen, der ihm in seiner Not bleibt. Dabei verändert sich Schritt für Schritt seine Beziehung zu Gott, sie wird ehrlicher und tiefer. Am Ende erkennt Hiob
dass du alles vermagst. Kein Vorhaben ist dir verwehrt. Fürwahr, ich habe geredet, ohne zu verstehen, über Dinge, die zu wunderbar für mich und unbegreiflich sind
(Hiob 42,2-3)
Hiobs Haltung und Botschaft kann man Kindern gut vermitteln: Auch in ihrem Gebet dürfen Unverständnis, Sorge und Wut ihren Platz finden. Wir dürfen Gott unser Leid klagen, bei ihm unsere Angst und unsere Enttäuschung ablegen und ihn zugleich immer wieder um Kraft bitten, das Beste aus dem zu machen, was das Leben uns zumutet.
Die evangelische Religionspädagogin Ann-Kathrin Förderreuther, die als „Frau Religionslehrerin“ nicht nur in Schulen, sondern auch im Internet und auf Social Media unterwegs ist, bringt das auf den Punkt, wenn sie schreibt:
Gott ist für mich kein Zauberer, der Wünsche erfüllen kann. Sondern Gott ist wie ein Freund oder eine Freundin. Gott steht mir zur Seite – wenn ich mich freue, aber auch wenn mich etwas bedrückt. Gott kann ich alles erzählen – auch wenn ich Sorgen habe. Ich vertraue Gott im Gebet meine Gedanken, Freuden, Sorgen und Bitten an.
sagt Ann-Kathrin Förderreuther, Religionspädagogin
Am Ende sei es einfach „ein gutes Gefühl, dass jemand da ist, dem ich das alles sagen und anvertrauen kann“.