Nasenatmung vs Mundatmung: Was ist gesünder?
Meistens spüren wir erst bei der Erkrankung der Atemwegsorgane, wie abhängig der Mensch von einer ausreichenden Sauerstoffversorgung und wie wichtig gute Luft für unsere Gesundheit ist. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass Luftverschmutzung für rund zwölf Prozent der Todesfälle verantwortlich ist.
Auch das ist mit ein Grund, weshalb die Atmung durch die Nase als gesünder gilt als die durch den Mund: Sie wirkt wie eine Art Filter. Zudem erfolgt die Nasenatmung langsamer und aktiviert den Vagusnerv, den längsten der zwölf Hirnnerven, der auch als Entspannungsnerv bezeichnet wird. Inzwischen nutzen auch Sportler das Wissen um die gesündere Nasenatmung.
Es kommt auf die Schnelligkeit des Atmes an
Doch nicht nur der Weg, über den Sauerstoff im Körper aufgenommen wird, ist entscheidend für eine bessere Gesundheit. Sondern auch die Schnelligkeit der Atmung. Inzwischen weiß man um den Zusammenhang zwischen Atmung und Lebensdauer: Menschen, die eine langsamere und tiefere Atmung haben, setzen ihren Körper weniger oxidativem Stress aus, was wiederum Zellschäden oder vorzeitigem Altern entgegenwirkt. Sichtbar wird das im Tierreich: Kleinere Tiere, die schnell atmen und einen höheren Stoffwechsel haben, haben eine vergleichsweise kurze Lebensdauer. So liegt die Rate einer Maus bei etwa 50 Atemzügen, die einer Schildkröte, die 150 Jahre alt werden kann, bei vier Zügen pro Minute.
Beim Menschen bedeutet eine langsamere Atmung nicht nur, dass er entspannter ist. Auch die kognitiven Funktionen verbessern sich, wie Studien der so genannten Kohärenzatmung nachgewiesen haben: Dabei wird das Ein- und Ausatmen in einem bestimmten Verhältnis durchgeführt; die Frequenz liegt bei etwa fünf bis sechs Atemzügen pro Minute. Das wiederum begünstigt Entspannung und Ruhe.
Das Zusammenspiel zwischen Atmung und Nervensystem ist also offensichtlich, was wiederum bedeutet, dass sich durch gezielte Übungen das Nervensystem beeinflussen lässt. Zudem gibt es verschiedene Ansätze, Schmerzen durch Atmung zu lindern. Vor allem tiefe Zwerchfellatmung in Kombination mit verlangsamter Atmung kann dabei helfen.
Atemtherapeutin im Hospiz
Eine gute Atmung lohnt sich also – und zwar buchstäblich bis zum letzten Atemzug, wie Jutta Grywatz weiß. Die Ärztin und Atemtherapeutin kommt seit acht Jahren regelmäßig in das Hospiz nach Esslingen. Bei ihrem Ansatz geht es darum, dass jeder Mensch sich „über den Atem ausdrückt“, so beschreibt sie es. „Der Atem zeigt mir an, wie es mir geht.“ Für Grywatz ist es daher wichtig, sich den Atem anzuschauen, in das Bewusstsein der zu Behandelnden zu bringen. „Veränderung geschieht dadurch, dass ich mir etwas bewusst mache.“
So haben Sterbende oft eine flache Atmung, im oberen Bereich des Körpers. Grywatz arbeitet daran, die Atemräume des Einzelnen zu erweitern. Das geschieht, indem sie ihre Hände einsetzt, am Bauch beginnend fühlt, wie dieser sich bewegt und wie der Mensch atmet: unruhig, flach, tief? Ist eine Angst spürbar? „Ich möchte das Bewusstsein für sich selbst schärfen“, sagt sie.
Für manche Klienten bedeutet das einfach nur Entspannung, andere fangen an, ihr etwas zu erzählen, oder weinen. „Es kommt etwas in Fluss“, beschreibt sie es und betont, dass es nicht um eine kontrollierte Atemtechnik geht. „Ich gebe keine Anleitung und reagiere nur auf das, was der Sterbende mir bietet.“ Im besten Fall gelingt es diesem, sich von Festgehaltenem zu lösen – und zu mehr Leichtigkeit zu kommen.