Schlaf ist eine gute Gabe und ein Segen Gottes. Er ist aber ebenso wenig Selbstzweck wie die Wachheit. Ich möchte daher den Blick auf den Übergang richten: Das Erwachen zur richtigen Zeit. Den wenn ich schlafe, bin ich nur auf mich selbst bezogen, mit all meinen Impulsen, Triebwünschen, Fantasien und Träumen. Wenn wir die Augen aufmachen, entdecken wir, dass wir nicht allein sind auf der Welt. Die Wirklichkeit drängt sich uns von selbst auf und befreit uns aus unserer Vereinzelung: Wir sehen wieder, was wirklich der Fall ist.
Dieses Erwachen wiederholt sich jeden Morgen. Und nicht immer ist es leicht, sich auf die Realität einzulassen, von der Dunkelheit ins Licht zu treten. Vielleicht hilft der Morgensegen von Martin Luther: „Des Morgens, so du aus dem Bette fährst, sollst du dich segnen mit dem heiligen Kreuz und sagen: Das walte Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist ...“ Es folgen Glaubensbekenntnis, Vaterunser und Morgensegen: „Und alsdann mit Freuden an dein Werk gegangen und etwa ein Lied gesungen.“
In den Tag hinausgehen und sich dem stellen, was er bringt – ob das gelingt, liegt auch an dem Vorzeichen, unter das der Tag gestellt wird. Zu sehen, was wirklich der Fall ist, wie es uns jeden Morgen aufs Neue zugemutet wird, heißt aus christlicher Sicht auch, das Wirken Gottes wahrzunehmen. „All’ Morgen ist ganz frisch und neu des Herren Gnad und große Treu“ – wer so erwacht, kann sich aufschwingen zu einem wachen Realitätsbewusstsein, das den christlichen Glauben auszeichnet. Dabei ist ein ruhiger und erholsamer Schlaf – in ausreichender Menge – vorausgesetzt.
Dass Gott nicht schläft, hilft dabei. Gott sieht alles, was auf seiner Erde geschieht. Er bleibt wach, träumt auch nicht; denn alle Wahrnehmung ist seine Schöpfung:
Siehe der Hüter Israels schläft und schlummert nicht .
Psalm 121,4