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Siebenschläfertag

Siebenschläfer: Meister des Versteckens

Der 27. Juni ist nach dem Siebenschläfer benannt. Siebenschläfer sind Experten in Sachen Winterschlaf und Überlebenskünstler. Von Dorothee Fauth

Ein Siebenschläfer schaut aus einer Baumhöhle hervor. Im oberen Teil des Bildes sieht man unscharf grüne Blätter des Baumes.
Bernd Nill
Am Tag verkriechen sich Siebenschläfer gerne in Baumhöhlen.

Die kleinen Kerle sind jetzt ausgeschlafen. Kein Wunder, nach sieben Monaten im Land der Träume. Manchmal suchen sie sich dann Dachböden als Spiel- und Sportplatz aus und veranstalten dort ein lautstarkes Remmidemmi. Sie quieken, zischen, pfeifen, grummeln und poltern sich durch die Nacht. Eine irre Party, mit der die Rasselbande ihre zweibeinigen Hausbesitzer zuverlässig um den Schlaf bringt.

Mehr als nur Schlafmützen: Klettertalente und Weitspringer

Siebenschläfer sind die größten Schlafmützen und zugleich die größten Poltergeister im Tierreich. Dabei liegen sie größenmäßig gerade einmal zwischen einer fetten Maus und einem Eichhörnchen. Mit ersterer teilen sie die mausgraue Fellfarbe, mit Eichhörnchen den buschigen Schwanz und das Talent als Klettermaxe. Sie werden bis 30 Zentimeter groß, davon entfallen etwa 15 Zentimeter auf den Schwanz. Dank ihrer Krallen und klebrigen Fußsohlen, die wie Saugnäpfe funktionieren, erklimmen sie mühelos senkrechte Hauswände. Die 100 Gramm leichten Powerpakete können zudem aus dem Stand bis zu zehn Meter weit springen. Verglichen damit, wirkt der Weltrekord der Männer im Weitsprung fast lächerlich: 8,95 Meter mit jeder Menge Anlauf.

Nachtaktive Nagetiere

Die ungebetenen Hausgäste suchen gerne die Nähe der Menschen, schließlich ist es auf einem Dachboden muggelig warm. Und das mögen Siebenschläfer, die im Süden Deutschlands häufiger sind als im raueren Norden. Auch Nistkästen, Gartenhäuschen und Scheunen nutzen sie als Quartiere. Dennoch bekommt man die Nager mit den riesigen kohlrabenschwarzen Knopfaugen, aufmerksamen runden Ohren und langen Tasthaaren kaum zu Gesicht, denn ihr Tag beginnt mit dem Abend. Sie werden erst mit Einbruch der Dunkelheit aktiv.

Ein Siebenschläfer sitzt in felsigem Geländer und knabbert an einem roten Apfel.
epd-bild/Marko König
Siebenschäfern knabbern besonders gerne Äpfel.

Ernährung der kleinen Nager

Eigentlich gehören Siebenschläfer in alte Laub-Mischwälder, wie sie auf der Alb vorkommen. Dort finden sie Baumhöhlen für den Tagschlaf und ihre Lieblingsspeise: fettreiche Bucheckern. Auch mit Eicheln, Kastanien, Nüssen, Knospen und Früchten erneuern sie ihre Energiereserven, die während des Winterschlafs von September bis Mai leer laufen. Von wegen Siebenschläfer! Nicht einmal das Murmeltier schläft so viel. Ahnt der Langschläfer im Frühling, dass Buchen und Eichen nicht genug Früchte liefern, um den Nachwuchs aufzuziehen, rollt er sich in seiner Höhle zusammen und verabschiedet sich für die nächsten elf Monate.

Nager erreichen Alter von neun bis 13 Jahren

Vermutet wird, dass er anhand der Pollen erkennt, wie das Nahrungsangebot aussehen wird. „Die aktive Phase ist gefährlich für den Siebenschläfer, dieses Wagnis geht er nur ein, wenn es sich lohnt“, erklärt Julia-Marie Battermann von der Deutschen Wildtier Stiftung. Durch die lange Ruhe, während der die Organe geschont werden, könne er mit neun bis 13 Jahren extrem alt werden für so einen kleinen Nager. „Er hat also vergleichsweise viel Zeit, sich zu vermehren. Das ist seine Risiko-Nutzen-Strategie.“

Wenn sich die Langschläfer im Mai nach einer mehrstündigen Aufwachphase wieder ausgraben, sind sie nur noch eine halbe Portion. Und sehr liebeshungrig. Im Juni beginnt die Paarungszeit. Dabei kann es laut werden. Quiekend und zischend werden Revierstreitigkeiten ausgetragen, und das Männchen stalkt das Weibchen so lange, indem es ihm hinterher rast, bis es nachgibt. Unmittelbar nach der Paarung verliert der Schürzenjäger das Interesse an ihr. Er hält nun nach neuen Partnerinnen Ausschau.

Siebenschläfermamas sind alleinerziehend

Siebenschläfermamas sind also alleinerziehend. Und vor ihnen liegt ein ambitioniertes Zeitprogramm. Sie polstern verlassene Baumhöhlen und Nistkästen mit Federn, Haaren, Moos und Gras zu einer kuschelig weichen Kinderstube aus.

In der Umgebung von Münsingen und Gomadingen sind bis zu 20 Prozent der von den Vögeln bereits verlassenen Quartiere vom Siebenschläfer bewohnt

sagt Robert Greiner, ehemaliger Förster 

Vier bis sechs Junge: nackt, blind und klein nach Geburt

Dort bringen die Siebenschläfer-Weibchen ab Juli vier bis sechs Junge zur Welt, die rosa, nackt, blind und gerade mal so schwer wie ein Stück Würfelzucker sind. Mit einem Powerdrink gesäugt und liebevoll umsorgt, wachsen sie schnell. Nach drei bis vier Wochen öffnen sie die Augen, dann geht es rund im Hause Siebenschläfer, das auch der Dachboden sein kann. Die Kleinen beginnen, feste Nahrung zu fressen, neugierig umherzuklettern und die Selbstständigkeit zu trainieren. Nach etwa zwei Monaten verlassen sie das Nest endgültig.

Vorbereitung auf den Winterschlaf

Die Siebenschläferfamilie hat jetzt nur noch eine auf Kante genähte Mission: futtern. In den knapp acht Wochen bis zum Herbst müssen die Tiere ihr Gewicht mindestens verdoppeln, um den langen Winterschlaf in der Kälte zu überstehen. Je fetter, desto besser. Ein ordentlicher Wanst und 300 Gramm Gewicht sind schon eine echte Premium-Lebensversicherung. Dabei müssen sie auf diejenigen achten, die einen gut gefüllten Siebenschläfer äußerst appetitlich finden: Baummarder, Wiesel, große Eulen und Katzen gehören zu ihren natürlichen Feinden.

Schutzmechanismus: Siebenschläfer können Teil ihres Schwanzes abwerfen

Doch Siebenschläfer beherrschen einen genialen Trick, den sie sich von den Eidechsen abgeguckt haben müssen: Um in letzter Sekunde zu entkommen, können sie einen Teil ihres Schwanzes abwerfen. Werden sie dort gepackt, reißt die Haut mit den Haaren an einer Sollbruchstelle und wird vom Skelett gezogen. Die Wirbel fallen mit der Zeit ab, Haut und Haare wachsen anschließend nach. Alles runderneuert, nur etwas kürzer als zuvor.

Lebensräume von Siebenschläfern

  • Mischwälder
  • etwas unordentliche Gärten und Vogelkästen 
  • große Streuobstwiesen

Häufig fehlen intakte Mischwälder. Daher suchen Siebenschläfer die Nähe zu Menschen. Siebenschläfer dürfen nicht getötet, allenfalls vergrämt werden.

Wenn der Countdown seiner inneren Uhr heruntergezählt ist, überkommt den Siebenschläfer die große Müdigkeit. Dann gräbt er sich in eine Erdhöhle ein und rollt sich eng zusammen. Nach und nach fällt seine Körpertemperatur bis auf fünf Grad, seine Herzschlagfrequenzverringert sich von etwa 300 auf fünf Schläge pro Minute, und er atmet in 60 Sekunden nur noch ein bis drei Mal. So ist es ihm möglich, mit dem geringen Sauerstoffvorrat auszukommen und Energie zu sparen. Einmal ausgeknipst, hört und sieht er nichts mehr – bis ein Frühlingstag ihn ausgeschlafen und munter wieder auf Bäume und Dachböden lockt. In warmen Räumenverkürzt oder verzichtet der Siebenschläfer manchmal auf die lange Reise ins Land der Träume. Na dann, gute Nacht!