Tod und Trauer

Wie wir mit dem Verlust eines geliebten Menschen umgehen können

Es ist nicht leicht, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen. Was im ­Trauerfall trägt und dabei helfen kann, mit dem Schmerz umzugehen. Von Bernhard Mutschler

Mensch zündet eine Kerze an, daneben sitzt ein Teddybär auf dem Boden und weitere Kerzen.
Unsplash/The Good Funeral Guide

Zum Leben gehören Abschiede. Nur wer lebt, kann trauern und braucht Trost. Einen geliebten Menschen im Frieden ziehen zu lassen, ist eine schwere Aufgabe.

Geben und nehmen: Die zwei Seiten des Abschieds

Der Abschied von einem lieben Menschen wird einem unfreiwillig aufgegeben. Auch der Zeitpunkt ist nicht selbst gewählt. Wer zurückbleibt, nimmt Abschied und gibt ihn zugleich. Äußerlich und innerlich Ja dazu zu sagen, ist eine Lebensaufgabe. Es bedeutet, den Abschied anzunehmen, ihn aktiv zu gestalten, zuzulassen und zu „geben“. Abschied geben und Abschied nehmen sind wie zwei Seiten einer Medaille. Beides kostet Zeit und Kraft. Es macht müde. Trauerarbeit erfolgt im eigenen Tempo.

Gemeinsam und alleine: Wie wir Abschiede gestalten können

Überlieferte und breit akzeptierte Formen des Abschieds können hilfreich sein. Sie decken aber nicht den gesamten Bedarf eines Menschen ab. Abschiede und Trauerphasen zu gestalten und zu leben, ist auch eine persönliche Angelegenheit. Dies zeigt sich zum Beispiel in einer individuell gewählten Mischung aus gemeinschaftlicher Verbundenheit mit anderen und Phasen des Alleinseins. Durch den Wechsel wird der schwierige Prozess des Abschieds gut unterstützt.

Was tröstet?

Weinen können und weinen dürfen sind wichtig. Tränen wollen fließen. Sie gehören zum Abschied von einem lieben Menschen. An mir beobachte ich, dass ich in Phasen der Trauer mehr Zeit für meine Aufgaben brauche als sonst. Diese Zeit nehme ich mir. Manchmal verlangsame ich das Leben zusätzlich.

Diese Aktivitäten können auch helfen

  • Spazieren gehen
  • schöne Musik hören
  • innerlich Choralverse singen
  • Klavier spielen
  • körperliche Bewegung
  • malen
  • kurze Texte lesen
  • „Punkte der Dankbarkeit“ für einen Menschen aufschreiben

Bewältigungsstrategien machen den Abschied nicht ungeschehen. Aber sie helfen, besser damit zurechtzukommen und unter veränderten Bedingungen leben zu lernen.

Trost von oben

„Ich lebe, und ihr sollt auch leben“, sagt Jesus von Nazareth. Diese Zusage gilt. Abschiede von einem lieben Menschen sind Brüche im Leben. Was schenkt uns Trost? Jesus verheißt: „Ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.“

Unsere Toten sind in Gottes Hand geborgen. Wir wissen sie von der Liebe Jesu Christi umfangen. Das tröstet. Manchmal bricht gerade durch Brüche und Risse Licht in unser Leben. Das sang Leonard Cohen (1934 – 2016) in seinem Stück „Anthem“ (Hymne). Und ja, so ist es: Das Licht Gottes scheint in unserem Leben genau dann hell, wenn wir es am meisten brauchen.

Es ist ein bisschen wie in der Nacht von Bethlehem, als „die Klarheit des Herrn leuchtete“. Sie tritt durch Bruchstellen und Risse in unser Leben. Dann sortieren wir uns neu und finden Antworten auf knifflige Lebensfragen. Es ist nachweisbar, dass Menschen mit Hilfe religiöser Deutungsmuster besser mit Veränderungen zurechtkommen. Sie wissen die verstorbene Person und sich selbst gut aufgehoben.

Erneuter Blick nach vorne

Für das weitere Leben ist wichtig, wieder nach vorne zu blicken und nicht dauerhaft im Blick zurück zu verharren. Georg Neumark (1621 – 1681) bringt es auf den Punkt: „Was helfen uns die schweren Sorgen, / was hilft uns unser Weh und Ach? / Was hilft es, dass wir alle Morgen / beseufzen unser Ungemach? / Wir machen unser Kreuz und Leid / nur größer durch die Traurigkeit.“ Nach weiteren tröstlichen Gedanken blickt der Liederdichter zuversichtlich nach vorne: „Sing, bet und geh auf Gottes Wegen, / verricht das Deine nur getreu / und trau des Himmels reichem Segen, / so wird er bei dir werden neu. / Denn welcher seine Zuversicht / auf Gott setzt, den verlässt er nicht“ (EG 369).

Was erwartet uns im Tod?

Dietrich Bonhoeffer verabschiedete sich vor seiner Hinrichtung am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg von Mitgefangenen mit den Worten: „Das ist das Ende, für mich der Anfang des ewigen Lebens.“ Ähnlich schreibt Martin Luther: „Sobald die Augen sich schließen, wirst du auferweckt werden.“ Dabei ist vorausgesetzt, dass Tote kein Bewusstsein, keine Empfindungen und keine Gefühle haben. Bei ihrer Auferweckung wissen sie nicht, wo und wie lange sie tot waren.

Auferweckung vom Tod

Der verstorbene Tübinger Theologe Jürgen Moltmann (1926 – 2024) zog daraus den Schluss: „Unsere Todesstunde ist unsere Auferweckungsstunde. Wenn wir sterben, erwachen wir zum ewigen Leben. Die Todesschmerzen sind die Geburtsschmerzen des ewigen Lebens.“ Abreise aus diesem irdischen Leben und Ankunft als Auferweckte im ewigen Leben Gottes fallen daher in eins. „Unsere Todesstunde ist unsere Auferweckungsstunde.“ Daher auch Jesu Trost an seinen Mitgekreuzigten: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ Das „Heute“ ist weder in drei Tagen noch erst am Jüngsten Tag; es ist heute.

Keine lange Todesnacht

Die von manchen Menschen gefürchtete „lange Todesnacht“ verkürzt sich also auf einen Augenblick. Lebende haben zwar Angst vor einer langen Todesnacht; aber Tote erleben sie nicht. Insofern geht es eher um die Angst vor dem Sterben. Christoph Blumhardt der Jüngere, so wird erzählt, habe einen ängstlich Sterbenden getröstet mit den Worten: „Mach dir keine Gedanken: Es ist nur ein Augenblick bis zur Auferstehung.“

Was wird auferweckt?

Von Gott auferweckt wird nicht ein gestorbener und zu Tode gekommener Körper, sondern das Ganze unseres Lebens: unsere lebendige Seele mit einem neuen Leib. „Das ganze Leben wird auferweckt, geheilt und verklärt“, so Moltmann. Wie ist das vorstellbar? „Der neue Leib in der Auferstehung (...) wird in der Lebenskraft Gottes ein ganz lebendiger Leib sein, ... er wird dem in der Herrlichkeit Gottes ‚verklärten Leib‘ des auferstandenen Christus entsprechen. Er wird die Gestalt haben, die Gott für uns in seiner zukünftigen Welt vorgesehen hat.“

Auferstehung und Leben

Niemand fällt durch den Tod aus Gottes Hand. Das sagt uns der Apostel Paulus: „Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.“ Was das bedeutet und welche Kraft im Glauben liegt, führt Jesus im Dialog mit der um ihren Bruder trauernden Martha aus. Er spricht zu ihr und zu uns: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben. Glaubst du das?“