Weihnachten 2024

Weihnachtsbotschaft des Landesbischofs

Die Weihnachtsbotschaft von Ernst-Wilhelm Gohl, dem Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Von Ernst-Wilhelm Gohl

Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl in einer Kirche
Pressebild/Thomas Rathay

Die Weihnachtsgeschichte muss jedes Jahr gleich sein. Das ist wichtig. Und dennoch spricht sie jedes Jahr anders zu uns. Diese Geschichte ist die Mitte von Weihnachten. Die Krippenspiele, die in vielen Gemeinden aufgeführt werden, orientieren sich alle an der Geburtsgeschichte im Stall von Bethlehem.

Der römische Kaiser August befiehlt eine Volkszählung. Deshalb brechen Maria und Josef nach Bethlehem auf. Und: Maria ist schwanger. Es ist eine Geschichte, wie Menschen Spielball der Umstände ihrer Zeit sind und Gott ihnen hilft, damit zurechtzukommen. Kurz vor der Geburt suchen sie nach einer Unterkunft. Doch alle Gasthäuser sind ausgebucht. Schließlich finden sie Schutz in einem Stall. Dort kommt Jesus zur Welt. Die Futterkrippe wird zur Wiege. Eine Geburt nicht im Palast, sondern im Stall. So schreibt Gott Geschichte.

In der Nähe hüten Hirten ihre Schafe. Ein Engel verkündet ihnen die Geburt des Kindes. Nachts und draußen ruft Gott Menschen zu Jesus. Die Hirten eilen zu dem Stall. Diese Geschichte ist die Mitte von Weihnachten. Ohne sie gibt es kein Weihnachtsfest. Mit dem Klang ihrer Worte verbinden wir Weihnachtserfahrungen und Lebenserfahrungen.

Die Weihnachtsgeschichte muss jedes Jahr gleich sein. Das ist wichtig. Und dennoch spricht sie jedes Jahr anders zu uns.

Auch hier auf dem Weihnachtsmarkt denke ich darüber nach. Wenn ich auf die vielen Buden schaue. Auf typische Weihnachtsartikel wie Kerzen, Schnitzereien, leuchtende Sterne und tausende von Lichtern, auf die Glühweinbuden und die Wurstbrätereien, auf die vielen Menschen, die genau das suchen, eine Stimmung, die es sonst im Jahr nicht gibt. Und immer wieder stoße ich auf die bekannte Geschichte: Auf Maria und Josef, auf den Stall – in immer wieder neuen Varianten, sogar mit echten Schafen und einem Esel. Oder gleich am Eingang zur Budenwelt in den lebensgroßen, geschnitzten Holzfiguren.

Die Weihnachtsgeschichte muss jedes Jahr gleich sein. Das ist wichtig. Und dennoch spricht sie jedes Jahr anders zu uns.

Der Evangelist Johannes hat keine Weihnachtsgeschichte überliefert. Anders, mit tiefgründigen Worten berichtet er über das Wunder, das sich an Weihnachten ereignet. Hinter dem Kind in der Krippe steht etwas unfassbar Großes, sagt er.

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht ergriffen.

(Joh 1,1-5)

Wie passt das zusammen, der Stall und die viel größere Realität? Der Evangelist Johannes sagt: Alles kommt vom Wort. Am Anfang: das Wort. Gott: das Wort. Die Welt: das Wort. Nichts ohne das Wort. Alles mit dem Wort.

Worte haben eine ungeheure Macht. Gewalt beginnt fast immer mit Worten. Worte, die an die niedrigen Instinkte appellieren, an Neid etwa: „Die kommen doch nur, um sich bei uns ein bequemes Leben zu machen“. Aus Neid wird Wut. Aus Angst oft auch. Doch Gottes Wort ist anders. Es schürt keinen Neid. Es macht keine Angst. Gottes Wort schafft Leben. Es verändert alles – zum Guten.

Doch das siehst Du nicht mit den Augen. Worum es an Weihnachten geht, sehen wir nicht mit den Augen. Denn in dem Kind, das Du siehst, kommt das göttliche Wort zur Welt. Das Kind in der Krippe ist Gott in menschlicher Gestalt: Schwach, zerbrechlich, verwechselbar. Wie jedes Neugeborene ein Wunder Gottes, der das Leben schenkt. Unverwechselbar aber darin, dass in diesem Kind Gottes Wort Mensch wird.

Im Stall ereignet sich, womit niemand gerechnet hatte. Die Hirten erzählen nicht nur, was sie auf dem Feld gesehen und gehört haben, sie knien nieder und loben Gott. Denn sie spüren, dass er ihnen etwas ganz Besonderes gezeigt hat. Als Zeugen werden die Hirten Teil dieser Geschichte. Und dann gehen sie hinaus in die Welt und erzählen diese gute Nachricht.

Sie haben erfasst, was im Johannesevangelium steht:

Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.

(Joh 1,9-14)

Auf dem Feld draußen wurde der Himmel erleuchtet und überirdischer Gesang wurde hörbar. Im Stall gab es kein überirdisches Leuchten, aber allen, die dort waren, ging ein Licht auf. Sie erkannten, welche Kraft, welche Hoffnung, welches Licht von diesem Kind ausgehen wird. So bringt Gott sein Licht zu den Menschen und macht ihr Leben hell.

Besser kann man nicht sagen, was wir an Weihnachten feiern. Christus ist das Licht der Welt. Dieses Licht strahlt seit dem Stall von Bethlehem in jedem Weihnachtsfest auf. Und weit darüber hinaus.

„Am Anfang war das Wort“, steht im Johannesevangelium. Jetzt ist das Wort in der Welt. Dieses Wort verwandelt diese Welt. Es heilt. Es schenkt Gemeinschaft. Es hält an einem letzten Sinn für jedes Leben und diese Welt fest. Egal, was gerade bei mir oder Ihnen dagegensprechen will. Gottes Wort verändert alles. Gottes schöpferisches Wort schafft eine neue Realität, bringt den Himmel auf die Erde.

Lassen Sie uns miteinander nach Bethlehem in den Stall gehen und nochmals hinschauen: Das Wort, das Mensch geworden ist, liegt in der Krippe. Im Hintergrund Ochs und Esel. Neben der Krippe stehen Maria und Josef. Sie schauen auf das neugeborene Kind. Das spricht mich an. Und dieses Kind berührt mich, macht auch die dunklen Winkel in meinem Leben hell, jedes Mal neu. Wunderbare Weihnacht.