1,3 Millionen Menschen singen bei uns heute noch in etwa 50.000 Chören. Amateurchöre gehören in Deutschland zum immateriellen Kulturerbe, denn das Chorsingen ist eine Tradition, die sich über Jahrhunderte erhalten hat. In Chören treffen Menschen jeden Alters und aller gesellschaftlichen Gruppen aufeinander. Diesen Umstand macht sich Anna Katharina Hahn in ihrem neuen Roman zu Nutze.
Sie lässt Alice, die erfolgreiche Personalchefin eines Stuttgarter Warenhauses, auf eine vereinsamte Studentin treffen. Zu ihrer ehemals besten Freundin hat Alice ein gestörtes Verhältnis, das dazu geführt hat, dass die beiden Frauen zwar nicht miteinander sprechen, sich aber intensiv beobachten. Als Klammer zwischen ihnen dient eine ältere Freundin. Trotz mancher Irritationen ist für alle Frauen die Chorprobe in der Stuttgarter Markuskirche der emotionale Höhepunkt der Woche. Markuskirche, Fangelsbachfriedhof, Marienplatz, Marienhospital und zahlreiche andere Stuttgarter Örtlichkeiten werden im Roman so beschrieben, dass sie den Ortskundigen erkennbar werden, was aber auf andere Leserinnen und Leser keineswegs störend wirkt.
Beschrieben werden die dynamischen Beziehungen zwischen den Protagonistinnen, die beglückende Wirkung des gemeinsamen Singens, aber auch die Spannungen, die durch Konkurrenzdenken und soziale Unterschiede entstehen.
Mit „Der Chor“ ist Hahn ein unterhaltsamer, spannungsreicher und moderner Gesellschaftsroman gelungen, in dem die Situation des Chorsingens zum Dreh- und Angelpunkt wird.