Michaela Maria Müller lässt in ihrem neuen Roman den zurückhaltenden Jan auf die temperamentvolle Enni treffen. Nach und nach entwickelt sich aus der Begegnung zwischen dem Archivar, der die Akten des Auswärtigen Amtes bearbeitet, und der Gruppenführerin einer Feuerwehrleitstelle eine zarte Freundschaft.
Dabei ist Enni das Gegenteil von Jan: Sie packt an und will Dinge verändern, er ist eher zögerlich, introvertiert und wenig entscheidungsfreudig. Was ihre jeweiligen Lebensläufe anbelangt, stehen beide Protagonisten gerade an Weggabelungen. Jans Ehe kriselt, die beiden Söhne sind ihm fremd geworden, die Arbeit belastet ihn zunehmend. Ist er doch bei der Durchsicht der Akten im Jahr 1991 angekommen, das seine Jugend von Grund auf veränderte. Auch für Enni wird ihre einst so geliebte Tätigkeit zunehmend belastend.
Unabhängig voneinander suchen sich Jan und Enni einen neuen Job. Jan pachtet den leerstehenden Kiosk seiner Mutter in Berlin, in dem er glückliche und prägende Jugendjahre verlebte. Enni findet in einer Berliner Leitstelle eine interessante Stelle in einem Frauenteam.
Müllers Roman lebt vom ständigen Wechsel zwischen Gegenwart und Historie, zwischen geruhsamen Schauplätzen am Fluss und der tosenden Großstadt. Im Schatten der Stadt bleibt dabei für Jan und Enni auf einer namenlosen Spreeinsel manchmal die Zeit stehen. Ob die zarten Bande dieser beiden so unterschiedlichen Charaktere am Ende in eine feste Beziehung münden, lässt Michaela Müller in ihrem lesenswerten und leisen Roman offen.