Nach Meinung vieler hat Franz Kafka die beste deutschsprachige Prosa des 20. Jahrhunderts geschrieben. Am 3. Juni 1924 ist er im Alter von 40 Jahren an Tuberkulose gestorben. Immer noch gehört er zu den weltweit bekanntesten Schriftstellern. Kafkas 100. Todestag nahm der Tübinger Theologe Karl-Josef Kuschel zum Anlass, eine Würdigung Kafkas zu veröffentlichen. Er stellt darin einige der zentralen Texte des Schriftstellers vor und erläutert an ihnen, was dessen Literatur so unverwechselbar macht.
Für das latent Bedrohliche, schwer zu Fassende und Unergründliche in den Texten wurde das Wort „kafkaesk“ erfunden. Kuschel geht den Spuren nach, um zu erforschen, wie diese Grundstimmung im Werk des Autors zustande gekommen sein könnte. Dazu legt er dar, wie intensiv sich Kafka mit seiner Religion, dem Judentum, beschäftigt hat. Wie so oft zeigt sich ein Zwiespalt zwischen verlorener Tradition und Moderne, wobei im Falle Kafkas das osteuropäische Judentum für eine Modernisierung noch keinen Ansatz gefunden hatte. Mit den Hinterbeinchen würden sie noch am Judentum der Väter kleben, aber „mit den Vorderbeinchen finden sie keinen neuen Boden“, zitiert Kuschel Franz Kafka. Hier wird Martin Buber, der in dieser Zeit ein jugendliches, modernes Judentum repräsentierte, für Kafka wichtig. Umgekehrt zieht Buber Kafkas Werke in seiner Schrift „Zwei Glaubensweisen“ heran.
Kuschels kleiner Essay führt zu Aspekten, die im vielbeachteten Werk Kafkas meistens wenig Beachtung finden, aber für das Verstehen hilfreich sind.