Buchtipp: „Im Schatten zweier Sommer“ von Jan Koneffke

Im selben Haus wie Joseph Roth

In diesem faszinierenden Roman gehen Zeitgeschichte und Gegenwart auf gewisse Weise Hand in Hand. Von Ina Hochreuther

Buchcover "Im Schatten zweier Sommer" Buchtipps
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Jan Koneffke: In Schatten zweier Sommer. Galiani Verlag, 2024, 299 Seiten, 24 Euro.

Ein scheuer Student aus Galizien bezieht in Wien ein Zimmer zur Untermiete bei der jüdischen und sozialdemokratisch gesinnten Handwerker Familie Fischler. Die 17-jährige patente Tochter Fanny und der nicht einfache junge Mann namens Joseph Roth fühlen sich zueinander hingezogen. Ihre kurze Liebelei endet jäh durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs.

1938 verschlägt es Fanny auf der Flucht vor den Nazis nach Paris. Hier trifft sie ihre Jugendliebe Joseph Roth wieder, aus dem ein berühmter, wenn auch alkoholkranker Schriftsteller geworden ist.

Jan Koneffke verwebt in „Im Schatten zweier Sommer“ die Liebesgeschichte der fiktiven Protagonistin Fanny mit realen Episoden aus dem Leben von Joseph Roth. Die Idee dazu kam dem Romancier, als er herausfand, dass Roth einst in demselben Haus im 2. Wiener Bezirk wohnte, in dem seine Frau und er seit langem leben.

Atmosphärisch dicht und mitreißend erzählt Koneffke aus zwei Epochen: vom frühlingshaften Wien am Ende des Habsburger Reichs und dem fragilen Emigrantenleben europäischer Intellektueller in Paris, das bald keine Sicherheit mehr vor den Nazis bietet. Er zeigt Joseph Roth als einen, der das Habsburger Reich in seiner Völker-, Kultur- und Sprachenvielfalt bei allen Schwächen als Chance begriff. Den Nationalismus hingegen verabscheute er. Und wenn wir uns heute gewisse Tendenzen in Europa anschauen, wirkt das erschreckend aktuell.