Was sich an poetischer Sprachgewalt zwischen Teresa von Aquila, Angelus Silesius, Philipp Melanchthon und später Erich Kästner, Ingeborg Bachmann bis Elke Erbe und Uwe Tellkamp tummelt, ist nahezu die Gesamtheit des europäischen Lyrik-Personals aus Jahrhunderten. Sie alle werden in einer Weise versammelt um den Tropf der Medizin.
Jakob Leiner hat das alles erkundet mit dem Spürsinn des Mediziners und dem Innenblick des Dichtenden. Und lässt keinen Zweifel, dass allein schon seine Auswahl die eigene Vernetztheit mit der Gattung Lyrik nahelegt. Krankheit und Tod, aber auch Gesundung – das sind Befindlichkeiten menschlicher Existenz, die alle Bereiche berühren; Alltag, Beruf, Liebe, Lebenslust und Einsamkeit, Trauer und Abschied.
Daher haben Dichter und Dichterinnen sie zu allen Zeiten in ihrem Schaffen integriert. Wenn wir den Spuren in Leiners grandioser Sammlung folgen, entführen sie uns – ebenso poetisch hinterfragend wie oftmals auch drastisch konfrontativ – in Abgründe der Hoffnungslosigkeit, der Trauer, aber auch des trotzigen (Über-)Lebensmuts. Die Macht der dichterischen Nabelschau lässt uns oftmals das Licht am Ende des Tunnels erahnen, und wir folgen dem Takt der lyrischen Herzfrequenzen. Das ist eigentlich kein Buch für den Nachttisch. Einmal aufgeschlagen, mag man es kaum noch aus der Hand legen.