Im Jahr 1958 reist der durch seinen Roman „Christus kam nur bis Eboli“ bekannte italienische Schriftsteller, Maler und Antifaschist Carlo Levi nach Deutschland. Er möchte sich umsehen im Land Goethes und Hitlers, der mittelalterlichen Städtchen, der Konzentrationslager und des Wiederaufbaus. Wie leben die Menschen in dem Land, von dem Tod und Zerstörung ausgingen? Wo werden Verluste wahrnehmbar? Levi kleidet seine seismografischen Beobachtungen in eine elegante, poetische Sprache, die von Martin Hallmannsecker ins Deutsche übertragen worden ist. „Hier wie dort“, schreibt er über seine Eindrücke im geteilten Berlin, „gibt es etwas Exzessives, Erzwungenes und Künstliches, eine Vorführung, mehr Schaufenster als Realität, ein beharrliches Zurschaustellen von Sicherheit, die jedoch auf eine große Leere gebaut ist, als wären die Häuser auf der gefrorenen Oberfläche eines Sees errichtet worden, die die Frühlingssonne auf einen Schlag schmelzen und einbrechen lassen könnte.“
Das Wirtschaftswunder Deutschland ist auf den Trümmern des Nationalsozialismus errichtet, die Vergangenheit wirkt fort, auch wenn die Deutschen darüber beredt schweigen. Levi traut ihnen nicht. Sein beeindruckender, empfehlenswerter Reisebericht „Die doppelte Nacht“ vermittelt eine andere, bereichernde Sicht auf ein bekanntes Land.