Es gibt Bücher, bei denen ist jede einzelne Zeile ein Hochgenuss und man wünscht sich, die Lektüre würde nie enden. Daniela Kriens neuer Roman, der für den Deutschen Buchpreis 2024 nominiert wurde, zählt dazu – obwohl das Thema alles andere als leicht ist. Denn im Mittelpunkt steht die Geschichte von Linda, die ihre einzige, erst 17-jährige Tochter bei einem Unfall verloren hat.
Während ihr Mann Richard es schafft, Schritt für Schritt wieder ins Leben zurückzukehren, versinkt Linda immer tiefer in ihrer Trauer. Und so fasst sie den Entschluss, in ein abgelegenes Haus auf dem Land zu ziehen, wo ihr nur Hund und Hühner Gesellschaft leisten. Ihren Mann schließt sie aus diesem Leben aus, obwohl er lange versucht, ihr weiterhin nahe zu sein. Ganz langsam, fast unmerklich, löst sich jedoch Lindas Schockstarre, und die Dinge geraten wieder in Bewegung – auch durch eine neue Freundschaft, die in ihr Leben tritt.
Die Autorin schafft es nicht nur, die Emotionen so subtil und einfühlsam zu beschreiben, dass man sich in alle Protagonisten hineinversetzen kann. Selbst Nebenfiguren werden facettenreich beschrieben. Sie macht auch in ihrer beeindruckend klaren Erzählweise deutlich, dass bei einem Trauerprozess jeder Mensch seinen eigenen Rhythmus hat. Und dass es viel Kraft kosten kann, diesen anzunehmen und bei sich und anderen zu tolerieren. Es geht also auch um Empathie und Verständnis für andere. Und darum, die Dinge anzunehmen, so wie sie sind – auch und gerade dann, wenn sie unerträglich zu sein scheinen.