Ich sitze am Abend im Kino. Gespannt und erwartungsfroh wie all die anderen, die es sich in ihren Sesseln gemütlich gemacht haben, mit Popcorn, Getränken und in gespannter Erwartung auf den Film, eine Heldengeschichte. Im Vorspann läuft Werbung. Ein örtlicher Betrieb sucht Auszubildende mit dem Slogan: „Starte deine Karriere mit uns!“ Ich stutze ein wenig, erstaunt darüber, dass in dem Spot die Lehrjahre schon so stark mit Karriere und Aufstiegsmöglichkeiten verbunden werden. Habe ich doch den Satz im Ohr: „Lehrjahre sind keine Herrenjahre.“ Aber klar, die Aussicht auf Erfolg kann motivieren.
Ich sitze am Morgen im Büro und lese, was Paulus im zweiten Kapitel des Philipperbriefes schreibt. Jesus Christus ist sein Held, Retter und Gott. In den Versen 5 bis 11 schildert er dessen außergewöhnlichen Lebenslauf in einem sehr eindrücklichen Hymnus: Christus hielt nicht an seiner göttlichen Gestalt fest, sondern erniedrigte sich selbst und nahm die Gestalt eines menschlichen Dieners an. Statt Aufstieg war da Abstieg. Statt Statusgewinn der Verlust aller Privilegien. Und das alles, damit Gottes Auftrag erfüllt würde: Mensch zu sein an der Seite der Menschen. Das eigene Leben hinzugeben, damit andere dadurch zu einem Leben mit Gott finden können. Im Vorspann zu diesem Hymnus macht Paulus Werbung. Er ermutigt die Gemeinde-mitglieder, in ihrer Berufung als Jesus Lehrlinge zu bleiben und sich an ihm zu orientieren. „Seid so unter euch gesinnt, wie es der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht“, schreibt er.
Ruht euch also nicht auf einem Status aus, den ihr eventuell schon erreicht habt, sondern wagt mutig Schritte nach draußen. Bleibt nicht in euren Beobachtersesseln sitzen, sondern werdet Teil dieser Geschichte Gottes mit seinen Menschen. Schielt nicht nach persönlichen Aufstiegsmöglichkeiten, sondern konzentriert euch aufs Dienen, seid demütig, hingebungsvoll, geht hochachtungsvoll miteinander um – wie Jesus Christus.
Paulus wusste, dass eine derartige Karriere à la Christus sehr herausfordernd sein konnte. Er befand sich im Gefängnis, als er den Philipperbrief schrieb. Er hätte sich sicher Schöneres vorstellen können, als so massiv ausgebremst zu werden. Trotzdem wirkt sein Brief im Ganzen besehen eher er-mutigend als resigniert, denn er hatte etwas, das ihn trotz allem „oben“ hielt: einen zutiefst sinnvollen Auftrag, den er, mit Einschränkungen, sogar aus dem Gefängnis heraus weiterführen konnte, und eine Hoffnung, die ihn alles ertragen ließ. Das Happyend ließ noch auf sich warten, ja. Aber wie Christus von Gott auferweckt und durch Gottes Wirken in die Höhe erhoben wurde, so erhoffte Paulus diese Wende auch für sich selbst. An der Seite mit seinem Herrn würde es weitergehen bis hinein in Gottes Herrlichkeit.