Gedenktag 9. November

Erinnern an die Opfer der Reichspogromnacht vor 86 Jahren

Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl und der Beauftragte der Landeskirche für christlich-jüdischen Dialog, Jochen Maurer, gedenken der Opfer der Reichspogromnacht.

Brennende Teelichter im Dunkeln
Unsplash/Zoran Kokanovic

 

 

Ernst-Wilhelm Gohl
Pressebild: Thomas Rathay
Ernst-Wilhelm Gohl ist Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg.

Landesbischof Gohl zum Gedenken an die Novemberpogrome

Im Andenken an die Reichspogromnacht vom 9. November 1938 sagt der Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg Ernst-Wilhelm Gohl laut einer Mitteilung: „Mir ist der 9. November als Gedenktag sehr wichtig. Wir dürfen nicht vergessen, was unseren jüdischen Mitbürgern in Deutschland geschehen ist. Nie wieder ist jetzt!“.

Jochen Mauer
Foto: Pressebild/Gottfried Stoppel
Jochen Maurer ist Beauftragter der Landeskirche für den christlich-jüdischen Dialog.

Jochen Mauerer: Angriffe auf jüdische Menschen nicht hinnehmen

Pfarrer Jochen Maurer, landeskirchlicher Beauftragter für den christlich-jüdischen Dialog, erinnert in seinem Wort zum 9. November daran, dass die Nationalsozialisten ein doppeltes Ziel verfolgt hätten: Sie attackierten „mit äußerster Brutalität die jüdische Bevölkerung des Deutschen Reichs: Ein unmissverständliches Signal dafür, was Jüdinnen und Juden zu erwarten hatten. Zugleich registrierten die Nazis genau, ob die nichtjüdische Mehrheit die Ausgrenzung und Herabwürdigung sowie die Gewalt gegen die jüdischen Nachbarn begrüßte oder aber wenigstens zu dulden bereit war.“  

Die Bedeutung der Zeitzeugen

Maurer sagt darüber hinaus: „Die unbequeme Frage dieses Tages ist: Wie kann es sein, dass Christen, die die 10 Gebote kennen, die Angriffe auf jüdische Menschen, auf die jüdische Gemeinschaft und Religion wort- und tatenlos hinnehmen? Buße ist also, diese beschämende Frage zu stellen.“

Zugleich weist Maurer auf die Notwendigkeit hin, „die Opfer nicht zu vergessen und die Leiden derer, die in jenen Tagen ihr Leben verloren aufgrund des Hasses auf alles, was jüdisch ist. Das schließt die Opfer der Schoah ein – aber auch die aller Judenfeinde, die die Vernichtung jüdischen Lebens betreiben. Darum braucht unsere Gesellschaft Zeitzeugen wie Margot Friedländer und Leute, die ihren standhaften Einsatz für das Erinnern aufnehmen und über Social Media verbreiten, wie das Snapchat-Projekt Sachor in Berlin.“ 

Buchtipp

Das Buch„Jüdisches Leben in Württemberg“ gibt Einblick in die Geschichte und Gegenwart des Judentums in Württemberg. Erhältlich über den Gemeindeblatt-Onlineshop oder per Telefon: 0711 60100-28.

Novemberpogrome waren der Anfang offener Gewalt gegen Juden

Mit den Novemberpogromen vor 86 Jahren gingen die Nationalsozialisten zur offenen Gewalt gegen die jüdische Minderheit über. Höhepunkt war die Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938. Es brannten unzählige Synagogen, jüdische Geschäfte und Wohnungen wurden verwüstet und jüdische Bürger misshandelt und getötet. Drei Jahre vor Beginn der systematischen Massendeportationen und nach zahlreichen rechtlichen Diskriminierungen erhielt die Verfolgung der Juden mit den Ausschreitungen einen neuen Charakter.

Als Vorwand für die Übergriffe diente den Nationalsozialisten das Attentat des aus Hannover stammenden 17-jährigen Juden Herschel Grynszpan auf den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath am 7. November 1938 in Paris. Propagandaminister Joseph Goebbels nutzte die Gelegenheit, um bei einem Treffen von Parteiführern in München das Signal für die Gewaltaktionen in ganz Deutschland und Österreich zu geben.

Novemberpogrome dauerten sechs Tage

In der Öffentlichkeit versuchte die NS-Führung, die Welle der Gewalt als „spontanen Ausbruch des Volkszorns“ erscheinen zu lassen. Die Ausschreitungen begannen bereits am 7. November in Nordhessen und dauerten bis zum 13. November.

An den Gewalttaten beteiligten sich vor allem SA- und SS-Männer sowie Parteimitglieder, vielerorts aber auch Deutsche, die nicht den NS-Organisationen angehörten. Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass während und infolge der Gewalt mehr als 1.300 Menschen getötet und mindestens 1.400 Synagogen stark beschädigt oder zerstört wurden.

Ende des öffentlichen jüdischen Lebens in Deutschland

Das öffentliche Leben der Juden in Deutschland kam nach den Pogromen völlig zum Erliegen. Nach den gewaltsamen Übergriffen begann auch die flächendeckende staatliche Enteignung jüdischen Besitzes. Drei Jahre später, im Jahr 1941, setzten die Deportationen deutscher Juden in die Todeslager ein.

Mit Material von epd