Prälatur Reutlingen

Die Bibel lebendig werden lassen

EFFRINGEN (Dekanat Calw-Nagold) – Sich selbst und seinen Glauben besser kennenlernen, das sind Ziele von Bibliodrama-Seminaren. Von Peter Heinrich

Gruppe von Menschen in einem hellen Raum sitzt auf dem Boden, auf Stühlen oder steht Reutlingen
Pressebild

Durch Bibliodrama Zugang zur Bibel bekommen

Die Bibel ist auf den ersten Blick oft schwer verständlich und gibt ihre Schätze nur nach und nach. Ursprünglich wurden Teile davon auf He­bräisch und Griechisch verfasst. Alle, die diese Sprachen nicht verstehen, sind auf Über­setzungen angewiesen. Dabei müssen sich die Leser im Klaren darüber sein, dass jede Übersetzung eine Interpretation beinhaltet. Was nützt das inspirierendste und vielschichtigste Buch der Weltgeschichte, wenn es kaum noch jemand liest, geschweige denn versteht.

Einen sehr kreativen Zugang zum Buch der Bücher bietet die Methode „Bibliodrama“. Ob dabei der Name geschickt gewählt ist, weil er sehr „dramatisch“ klingt, bleibt dahin­gestellt. Drama bedeutet „Handlung“ und ist ein Oberbegriff für Texte mit verteilten Rollen. Beim Bibliodrama geht es also darum, einen ganzheitlichen, auch körperbetonten Zugang zum Bibeltext zu gewinnen, anders als dies auf der sachlich-exegetischen Ebene möglich ist.

Christina Morlock
Foto: Peter Heinrich
Christina Morlock aus Effringen leitet Bibliodrama-Seminare.

Verschiedene Bibliodrama Angebote in der Region

Christina Morlock aus Effringen organisiert die Bibliodrama-Seminare. Im Hauptberuf ist sie Erzieherin am evangelischen Kindergarten. Die lebendige Vermittlung biblischer Inhalte war ihr daher schon immer recht nah. Das hat sie zwischenzeitlich auch für die Erwachsenenwelt professionalisiert und gibt Kurse in der ganzen Region. Ab und an natürlich auch in ihrem Heimatort Effringen, wo sie schon im evangelischen Gemeindehaus oder in einem der Hauskreise zu Gast war.

Im Stuttgarter Raum gibt es mehrere Personen, die in regelmäßigen Abständen solche Seminare anbieten. Es gibt sogar Bibliodrama-Wanderungen. „Wir arbeiten in der Regel zu zweit“, erläutert die 53-Jährige. „Denn der Zugang zum Bibeltext kann manchmal sehr emotional werden.“ Da sei es gut, wenn die Leiterin den Prozess der Auseinandersetzung im Blick behält.

Hier gibt es weitere Informationen über ­Bibliodrama-Seminare.

Wie läuft ein Bibliodrama-Seminar ab?

Beim Bibliodrama werden bestimmte Bibelstellen in Spielszenen übersetzt. Dabei beginnt alles mit der Auseinandersetzung mit dem Text. Dabei gehe es um Fragen, so Morlock, was mich persönlich anspricht, wo ich mich im Text verorte, was die Bibelstelle mit mir zu tun hat.

Danach kommt die Spielphase, in der einzelne Sequenzen des Textes nachgespielt werden. Bibliodrama sei also die Verknüpfung von Bibelarbeit und Selbsterfahrung. Dies bedeute, dass sich die Teilnehmer den  Text, sich selbst und ihren Glauben besser kennenlernen.

Es ist also ein kreatives Wechselspiel zwischen Bibeltext und Gruppe. Am Ende des Seminars steht die Re­flexion, alle sprechen über das gemeinsam Erlebte. Dabei, und auch schon in den Spielszenen, das betont die Bibliodrama-Leiterin mit Nachdruck, sei es unabdingbar, dass weder ­Äußerungen noch  Haltungen und Handlungen gegenseitig be­wertet werden. Niemand muss den anderen von seiner Sichtweise überzeugen.

Wir teilen etwas davon miteinander, was wir meinen von dem Text verstanden zu haben. Vielleicht bereichert das mich oder die anderen.

sagt Christina Morlock

Ältere Frau sitzt auch einem Stuhl
Pressebild
Ziel ist es, den Bibeltext zu fühlen, statt ihn nur mit dem Verstand zu erfassen.

Bibliodrama auch ein seelsorgerliches Angebot

Es versteht sich von selbst, dass eine solche Arbeit einen geschützten Rahmen braucht. Deshalb arbeiten die Seminarleiterinnen und -leiter in kleinen, überschaubaren Gruppen. Somit ist Bibliodrama auch ein seelsorgerliches Angebot, ohne im klassischen Sinn Seelsorge zu sein.

Bibliodrama ist für unterschiedliche Zielgruppen geeignet. Christina Morlock hat dies bereits mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen erprobt. Auch bei Theologiestudenten und -studentinnen und auf diversen Kirchentagen kam ihr Programm gut an.

Wichtig ist ihr dabei, dass alle Leiterinnen und Leiter qualifiziert sind. Durch den Verein „Wortspiel“ aus Stuttgart gibt es eine modulare Ausbildung, die die deutsche Gesellschaft für Bibliodrama (GfB) zer­ti­fiziert hat. Dort ist die Effringer Erzieherin in ein Netzwerk eingebunden und auch in der Ausbildung weiterer Leiterinnen und Leiter aktiv. Dabei stellte sie fest, dass es ein wachsendes Interesse nicht nur im süddeutschen Raum am Bibliodrama gibt. So gibt es immer mehr Menschen, denen der rein intellektuelle Zugang zur Bibel nicht mehr ausreicht.

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