Man kann sein Erbe als Unternehmerssohn auf Yachten durchbringen – oder man macht etwas Sinnvolles daraus. Tobias Merckle, der Sohn des 2009 verstorbenen Ratiopharm-Gründers Adolf Merckle, ist mit seiner Hoffnungsträger-Stiftung selbst zum erfolgreichen Sozialunternehmer geworden. Eines seiner Erfolgsprojekte ist das „Seehaus“ im Mahdental bei Leonberg. Mehr als 400 junge Männer haben in den vergangenen 20 Jahren dort ihre Haftstrafe verbüßt, was ihnen einen Aufenthalt in einer herkömmlichen Justizvollzugsanstalt erspart hat. Der Strafvollzug in freien Formen in drei Wohngemeinschaften bietet Platz für bis zu 21 junge Männer. Sie haben einen streng durchgetakteten Tages- und Arbeitsplan, der vielen härter erscheint als der Alltag im Gefängnis. Christliche Werte spielen dabei eine wichtige Rolle.
In der Arbeit mit den Jugendlichen mache man sich dafür stark, auch den Opfern eine Stimme zu geben, sagt Seehaus-Gründer Tobias Merckle: „Es geht bei uns immer darum, dass Täter Verantwortung übernehmen. Denn sie haben ihren Opfern und der Gesellschaft geschadet.“ Für die jungen Straftäter bietet das Seehaus beispielsweise ein Opfer-Empathietraining an oder das Format „Opfer und Täter im Gespräch“. Außerdem ist der Verein in sechs Opfer- und Traumaberatungsstellen vertreten. Dort werden pro Jahr rund 500 Menschen begleitet, die Opfer einer Straftat wurden. Denn oft genug geraten diese durch die Tat nicht nur in seelische, sondern auch in finanzielle Nöte. Die Mitarbeiter von Seehaus e. V. informieren, wo und wie sie Unterstützung erfahren können.
Das „Seehaus“ wurde 2003 als Modellprojekt gegründet. Inzwischen ist es eine feste Einrichtung neben dem geschlossenen und offenen Strafvollzug. Seit 2011 existiert auch ein „Seehaus“ vor den Toren Leipzigs. Zum Jubiläum erscheint ein Buch von Christoph Zehendner und Susanne Ospelkaus mit dem Titel „Wo Zukunft wachsen kann“. Darin sind 20 Geschichten von ehemaligen Seehaus Insassen, Mitarbeitern des Seehauses und Opfern von Straftaten versammelt. Die Texte zeigen, was passieren kann, wenn Menschen eine zweite Chance bekommen.