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Prälatur Reutlingen

Glaube und Beruf verbinden: Gebete unter der Brücke

NEUBULACH – Friedrich Nothacker aus Neubulach im Nordschwarzwald hat eine seltenen Beruf: Er ist Brückenprüfer. Eine ebenso wichtige wie auch zum Teil gefährliche Arbeit, bei der ihm der christliche Glaube hilft. Von Peter Heinrich

Ein Mann hängt angekettet unter einer Brücke. Er trägt einen Helm. Reutlingen
Pressebild

Wie heikel die Statik von Brückenbauwerken sein kann, konnte man vor gut einem Jahr in Dresden sehen. Lediglich eine knappe Viertelstunde zuvor war eine Straßenbahn über die Carolabrücke gefahren, dann stürzte sie ein. Den Vorgang hat Friedrich Nothacker natürlich mit großem Interesse verfolgt, auch wenn sein Büro damit nichts zu tun hatte. Der Zustand vieler Brücken in Deutschland ist fragwürdig, ihre regelmäßige Kontrolle und Wartung umso wichtiger.

Manchmal bleibt nur die Sprengung

Solche Extremsituationen sind zum Glück sehr selten, aber es kommt vor, dass eine Brückenprüfung zur Sperrung einer Brücke führt. Die Rahmedetalbrücke auf der Sauerlandlinie, der A 45, ist ein berühmtes Beispiel dafür. Dieses Bauwerk war so marode, dass nichts anderes als die Sprengung übrig blieb. Die Brücke wurde vor mehr als 50 Jahren für ein wesentlich niedrigeres Verkehrsaufkommen geplant und gebaut, so dass ihr die Dauerbelastung letztendlich den Garaus gemacht hat. 2023 wurde sie spektakulär gesprengt.

Friedrich Nothacker sitzt an einem Schreibtisch und lächelt in die Kamera. Er trägt ein hellblaues Hemd und eine dunkle Jeans.
Foto: Peter Heinrich
Friedrich Nothacker ist Christ und Brückenprüfer.

Ingenieur mit christlichem Hintergrund

Vorgänge wie diese gehören zum Alltag von Friedrich Nothacker. Der 55-jährige Vater von drei erwachsenen Kindern ist Bauingenieur und Brückenprüfer. Auch Tunnel gehören zu seinem Aufgabengebiet. Zusammen mit einem Kompagnon betreibt er in Neubulach im Nordschwarzwald ein Ingenieurbüro mit insgesamt 17 Mitarbeitenden. Brückenprüfung ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, vor Gott und den Menschen, wie Friedrich Not­hacker betont.

Für die Brücke macht es keinen Unterschied, dass ich meine Arbeit als überzeugter Christ tue. Aber für mich persönlich hat das eine große Bedeutung

sagt Friedrich Nothacker

Brücken prüfen ist nicht ungefährlich

Man dürfe nicht unterschätzen, dass die Prüfung von Brücken auch eine gefährliche Arbeit sei. Natürlich gebe es kleine Brücken, manchmal Fußgängerbrücken, von denen man mehrere an einem Tag untersuchen könne. Aber die großen Brücken seien da schon von einem ganz ­anderen Kaliber.

Vor einiger Zeit war sein Büro mit der Prüfung der Kochertalbrücke betraut. Diese Brücke bei Geislingen am Kocher, einem Ortsteil der Gemeinde Braunsbach, überquert mit der Autobahn A6 zwischen Heilbronn und Nürnberg in 185 Metern Höhe vierspurig das Kochertal. Sie ist eine der höchsten Brücken in Deutschland.

Aufgrund ihrer Größe hat dieses Bauwerk auch ein geräumiges Innenleben. „Drei Monate hat unser Team innen gearbeitet und einen Monat außen“, berichtet Nothacker nicht ohne Stolz, und selbst die ausführliche Dokumentation der Prüfung habe einen weiteren Monat gedauert. Denn der Auftraggeber habe ja die Verpflichtung, die Brücke regelmäßig, das heißt alle sechs Jahre, einer gründlichen Prüfung zu unterziehen. Und er muss dafür auch den Nachweis erbringen.

Eine große Brücke von unten. Davor stehen Transporter. Unter der Brücke ist ein Gerät an einem langen roten Stab befestigt.
Pressebild
Die Brückenprüfer arbeiten in luftiger Höhe. Ganz ungefährlich ist ihre Arbeit nicht.

Schäden an Brücken frühzeitig entdecken

Deshalb ist die ausführliche Dokumentation des Prüfungsbüros immens wichtig. Genau wie bei einem Eigenheim geht es bei einer Brückenprüfung darum, Beschädigungen frühzeitig zu entdecken, damit aus kleineren Blessuren keine großen oder sogar irreparable Schäden entstehen. Bei der Brückenprüfung sind an allen Bauteilen, so die Vorschrift, Prüfungen von Hand vorzunehmen. Eine oberflächliche Prüfung reicht nicht aus. Aus den Ergebnissen wird dann eine Empfehlung für die Instandsetzung abgeleitet, die dann dem Auftraggeber übermittelt wird. Das weitere Vorgehen liegt dann in der Verantwortung des Eigentümers, das sind der Bund, das Land oder die Kommunen.

Man kann sich leicht vorstellen, dass diese Prüfung nicht ohne Risiko abgeht, schließlich überbrücken die Prüfungsobjekte Täler, Schluchten, Flüsse und so weiter. Da sind Gerüste, Schiffe, Steiger und Kombinationen dieser Hilfsmittel im Einsatz. Oder das Prüfteam muss sich von der Brücke abseilen, weil sonst kein Zugang zur Unterseite des Bauwerks möglich ist.

Darüber hinaus darf man nie vergessen, dass wir oft neben dem ­fließenden Verkehr arbeiten, und manchmal rasen die Fahrzeuge trotz Absperrung mit 140 Stundenkilometern an uns vorbei

sagt Friedrich Nothaker

Dafür gibt es extra ausgebildete ­Kletterer, die diese Prüfungsaufgaben übernehmen. „Ich bin froh und dankbar, dass ich mit einigen Kollegen, die mit mir ihren Glauben teilen, für ein gutes Gelingen beten kann.“ Er sei Gott dankbar, so Nothacker weiter, dass bisher alle Kollegen und er von allen Einsätzen gesund und unversehrt zurückgekehrt sind. Trotzdem sei nicht immer alles reibungslos verlaufen, es habe schon Auffahrunfälle auf das Sicherungsfahrzeug gegeben, allerdings ohne Verletzte vom Team.

Zwei Männer arbeiten an einer Brücke.
Pressebild

Glaube hilft bei der Verantwortung

Es gibt Schäden, die sind selbst mit den besten und akribischsten Prüfungsmethoden einfach nicht feststellbar

sagt Friedrich Nothacker

Das Risiko einer Fehldiagnose bei einer Prüfung läuft immer mit. Friedrich Nothackers Ingenieurbüro wäre trotzdem verantwortlich, wenn etwas passiere. Auch dabei hilft ihm sein Glaube, gelassen zu bleiben und alles in Gottes Hände zu legen. „Das schließt natürlich nicht aus“, sagt Nothacker, „dass ich alles mir Mögliche tue, um solche Fehler zu vermeiden.“ Man spürt, dass er das ernst meint, weil er seine Arbeit und die Menschen liebt, die „seine“ Brücken überqueren.

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