Wie der zweite Vorsitzende des Verbundkirchengemeinderates, Karl-Heinz Kübler, berichtet, „läuft auf der Oberfläche soweit alles glatt. Unsere vielen Gruppen und die Kreise gehen einfach weiter.“ Es sei, so Kübler, gelungen, der Gemeinde klarzumachen, „dass unsere Kirche eine gesellschaftliche und soziale Aufgabe erfüllt und wir jetzt alle zusammenhalten müssen“. Auch Glattens ehemaliger Pfarrer kann sich durchaus einige positive Auswirkungen einer pfarrerlosen Zeit vorstellen: „Möglicherweise können das Ehrenamt und die Gaben in einer Gemeinde in besonderer Art und Weise geweckt werden“, sagt Reinhard Sayer. Wobei er zu bedenken gibt, dass Ehrenamtliche in ihrem Engagement nicht alleinegelassen, sondern stetig ermutigt und unterstützt werden müssen, durch wen auch immer.
Dass andererseits aber Seelsorge und Zurüstung der Gemeindemitglieder nicht so einfach delegierbar sind, zeigt sich sowohl in den Ausführungen von Kübler und Sayer und wird auch deutlich in vielen Gesprächen mit Gemeindemitgliedern. Schmerzlich beklagen da viele, dass bei Trauerbesuchen und Beerdigungen der jeweilige Vertretungspfarrer weder die Verstorbenen noch deren Angehörigen kenne.
Traurig beklagen Senioren, dass zu ihrem runden Geburtstag oder Ehejubiläum kein Pfarrer mehr kommt. Eine Klage, die sich auch Kübler oft anhören muss: „Zwar gibt es bei uns einen Besuchsdienst, aber die alten Menschen freuen sich einfach darauf, Besuch vom Pfarrer selbst zu bekommen. Ob zuhause oder im Krankenhaus.“ Aber auch andere Termine beschäftigen die Gemeindemitglieder einer pfarrerlosen Gemeinde: „Wer konfirmiert denn nun unsere Paula?“ oder ganz banal „Wer predigt eigentlich am Sonntag?“ Dabei macht die kritische Frage „Weshalb bezahlen wir überhaupt noch Kirchensteuer?“ deutlich, welche Bedeutung der Pfarrer vor Ort für viele Menschen hat. So scheint es viele zu verunsichern, wenn es keinen verlässlichen Pfarrer vor Ort gibt, den man kennt, dem man vertraut und von dem man annimmt, dass er auch nächstes Jahr noch hier seinen Dienst tun wird. „Jeder Flecken braucht eine Pfarrfamilie“, fasst Kübler diese Sorgen zusammen.
Wobei es der Glattener Verbundkirchengemeinde dabei noch relativ gut geht, weil sie eine Jugendreferentin (mit 66 Prozent Stellenanteil) auf Spendenbasis angestellt hat. Diese engagiert sich sehr in der Betreuung der Jugendmitarbeiter und im Konfirmandenunterricht. Aber auch das leerstehende Pfarrhaus beschäftigt die Gemeinde: Wie geht es damit weiter? Wie lange kann und darf angesichts der aktuellen Wohnungsnot die Kirchengemeinde die – große und schöne – Pfarrwohnung leer stehen lassen? Berechtigte Fragen, da sowohl der Pfarrplan 2030 als auch der Rückgang der Theologie-Studierenden um 23 Prozent wenig Hoffnung machen, dass die Pfarrstelle schnell besetzt werden kann.