Die Gründungsmitglieder waren, wie kaum anders zu erwarten, ausschließlich Männer: zwei Schreiner, ein Schlosser, ein Notariatspraktikant sowie der Mesner der Stiftskirche. Der Klangkörper bestand aus vier Flügelhörnern, dem Tenorhorn des Chorleiters und einer Bassposaune.
Heute werden wir von einer jungen Frau dirigiert. Kathrin Bender wechselt sich mit Martin Riehle in einer Weise ab, die auch im kirchlichen Milieu nicht oft zu finden ist: ohne Ehrenkäsigkeit und Kompetenzgerangel. In jeder Stimme spielen Frauen – von der Trompete bis zur Tuba. Wir profitieren davon, dass regelmäßig neue Musiker zu uns stoßen, die zum Studium oder zur Ausbildung nach Tübingen kommen. Für junge Menschen ist der Posaunenchor attraktiv, weil die evangelische Bläserbewegung es geschafft hat, ihr Repertoire zu öffnen. Wir spielen nicht nur Choräle und klassische Komponisten, sondern auch moderne Genres aus der ganzen Welt der Musik, von südamerikanischem Tango über Jazz bis Filmmusik.
Die politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts trafen auch den Posaunenchor. Im Ersten Weltkrieg brachte man in Tübingen kein spielfähiges Ensemble mehr zusammen. Ironie der Geschichte: 1920 erweckte der Militärmusiker Alwin Kleinig die evangelische Bläsermusik zu neuem Leben. Unter den Nationalsozialisten wurde der Posaunenchor Zwangsmitglied in der Reichsmusikkammer. 1945 verhängte die französische Besatzungsmacht ein Auftrittsverbot. Zwei Jahre später hält die Chronik fest, dass „der kalte Winter 1946/47 und der Hunger oft sehr zu schaffen machten. Dankbar sei vermerkt, dass ab und zu bei besonderen Anlässen den Bläsern Lebensmittelspenden zukamen.“