Oskar Schindler war kein Heiliger. Schindler war der Fabrikant, der im zweiten Weltkrieg mehr als 1200 Juden vor dem Vernichtungslager gerettet hat. In den 90er Jahren wurde diese Leistung in dem Film „Schindlers Liste“ gewürdigt. Allerdings: moralisch einwandfrei war sein Leben nicht.
Im Urlaub habe ich in diesem Jahr seine Fabrik in Krakau besucht, in der ein Museum und eine Gedenkstätte eingerichtet sind. Da habe ich begriffen: Wie er sich verhalten und was er getan hat, war oft sogar ziemlich unmoralisch. Schon als Schüler flog er von der Schule, weil er sein Zeugnis gefälscht hatte. Später war er ein Lebemann und Frauenheld. Um sich industrielle Aufträge zu sichern, trat er in die NSDAP ein. In Krakau übernahm er eine Fabrik für Emaillewaren und erarbeitete sich durch Schwarzhandel ein Vermögen. Um ungestört seinen Geschäften nachgehen zu können, pflegte er Freundschaften zu Mitgliedern der SS.
Als jedoch 1941 das Krakauer Ghetto errichtet wurde, widerte ihn die Behandlung der jüdischen Bevölkerung an. Von da an unternahmen er und seine Frau alles, so viele Juden wie möglich zu retten. Er produzierte statt Geschirr Granathülsen und ließ seinen Betrieb als kriegswichtig einstufen. So konnte er immer wieder Ausnahmegenehmigungen für die bei ihm beschäftigten Juden erwirken.
Einmal holte er unter Lebensgefahr sogar eine Gruppe von Frauen zurück, die bereits ins KZ Auschwitz abtransportiert waren. Vielleicht findet man solchen Mut eher, wenn man so leichtfertig und irgendwie sorglos ist wie Schindler es war. Mit seiner Hilfe überlebten 1200 Juden den Krieg. Er selbst kam wirtschaftlich nach dem Krieg nicht wieder richtig auf die Beine. Überlebende jüdische Fabrikarbeiter haben ihn unterstützt. 1967 wurde er in Yad Vashem als Gerechter unter den Völkern geehrt.
Seit ich das alles erfahren habe, denke ich mir: Man muss kein Heiliger sein, um Gutes zu erreichen. Martin Luther hat gesagt, jeder Mensch sei „gerecht und Sünder zugleich“. Heute meinen viele, wer sich für einen guten Zweck einsetzt, müsse auch moralisch einwandfrei sein. Oskar Schindler lehrt mich etwas anderes: Wer Mitgefühl hat mit anderen und mutig für sie eintritt, der ist ein guter Mensch.