Ich bin gern Mann, ich schäme mich nicht für mein Geschlecht – aber ich schäme mich für vieles, was im Namen der Männlichkeit alles getan, behauptet und über viele Generationen an Jungs und heranwachsende Männer weitergegeben wurde – und leider noch immer wird. Die Liste an Lügen darüber, was „echtes“ Mann-Sein bedeutet, ist so lang, daher hier nur ein paar prominente Beispiele: Männer heulen nicht, Männer reden nicht gerne, Männer zeigen keine Gefühle, Männer sind lediglich sexualtriebgesteuert.
Erst neulich habe ich einen bekannten christlichen Autor und Liedermacher sagen hören: „Wer als Mann keine Autoreifen wechseln kann, der ist kein Mann.“ Was für Schwachsinn! Männlichkeit lässt sich nicht anhand einer Checkliste abarbeiten, Männlichkeit ist auch nichts, was man sich durch gewisse Eigenschaften erst verdienen muss.
Aber was ist Männlichkeit überhaupt? Aus meiner Sicht müssen wir dieser Frage dringend nachgehen. Während der Feminismus es sich zur Aufgabe gemacht hat, für ein gleichberechtigtes, selbstbewusstes und vor allem stereotypfreies Frauenbild zu kämpfen, wabern beim Thema Männlichkeit noch immer Männlichkeitsmythen unreflektiert durch viele blau gestrichene Kinderzimmer. Sie wabern aber auch durch kirchliche Ausbildungszentren, Internetblogs und hochkulturelle Wochenzeitschriften in Form von Generalurteilen über das männliche Geschlecht à la „als Mann kannst du dich zu diesem Thema nicht äußern“, „Männer sind (stets) privilegiert“, „Männer sind tendenziell gewalttätig“.
Fakt ist, Männer sind in einer Krise. Einer Krise, die zum großen Teil von uns selbst verursacht wurde. Wenn uns Männern heute das Rederecht zu bestimmten Themen entzogen wird, dann oft, weil dieses Recht von einigen benutzt wurde, um damit andere runterzumachen. Wir alle müssen uns dieser Krise endlich stellen und wegkommen von Feindbildern und Machogetue hin zu einer Rede von Männlickeit, die niemanden ausschließt, aber vielen Männern Identität gibt. Wie könnte so eine positive Männlichkeit aussehen?