Kennen Sie die Bedeutung des Wortes „Bullshit-Bingo“? Es bezeichnet den Vorgang, wenn bei Vorträgen, politischen Reden oder Predigten erwartbare Floskeln oder Richtigkeiten aneinandergereiht werden. Die Hörer schalten dann schnell auf Durchzug, wenn sie erkennen: „Ah, okay, hier erzählt mir jetzt einer einfach das, was ich eh schon weiß.“
Aus Sicht eines Predigers kann ich gut nachvollziehen, warum man sich so gern in Floskeln und Richtigkeiten flüchtet. Wer Floskeln benutzt, kann nix falsch machen, da sie langweilig, aber allgemein anerkannt sind. Wer Richtigkeiten aneinanderreiht, der hat zumindest den Applaus von denen sicher, die diese Sätze auch richtig finden.
Das Problem aus meiner Sicht: Wer immer nur Richtiges predigt, der predigt nie richtig. Predigen ist nicht wie mein Religionsunterricht früher kurz vor den Ferien ein fröhliches Herausposaunen meiner eigenen Meinung, sondern Predigen heißt, sich mit einer ganz anderen Sichtweise auseinanderzusetzen. Mit dem Bibeltext, über den ich predigen soll, mit Gott, der durch diesen Text sprechen will, mit den Menschen, die vor mir im Gottesdienst sitzen und mich hoffentlich mögen, aber noch mehr mit den Menschen, die Gott auch liebt, aber ich sie nicht und sie mich auch nicht.
Mit andern Worten, Predigen heißt, mit einer anderen Meinung als meiner eigenen ringen, denn das Predigen kommt durch das Wort Christi (Römer 10,17) und eben nicht nur durch meine Sichtweise.
Das heißt natürlich nicht, dass ich als Prediger fremdbestimmt auf der Kanzel stehen soll, wie eine Marionette – ganz im Gegenteil: Gerade, weil ich mich mit Gott, dem ganz Anderen, auseinandergesetzt habe, kann ich wirklich auch anderen Menschen mit anderen Meinungen verständlich machen, warum ich predige, was ich predige. Mit andern Worten, wenn ich mich mit dem Anderen beschäftige und mich selbst dadurch immer wieder hinterfrage, dann lerne ich dabei nicht nur Richtiges zu sagen, sondern auch richtig zu begründen. Kurzum, ich predige ab dann nicht mehr nur Richtiges, sondern ich predige richtig.