Am 9. Juni haben wir die Wahl. Und das gleich doppelt: Einmal geht es in den Kommunalwahlen um unsere kleinsten Lebensräume vor Ort. Und dann wählen wir im Blick auf das große Dach, unter dem wir in Europa Tür an Tür miteinander zuhause sind.
Was für ein Vorrecht der Freiheit ist es doch, dass wir die Wahl haben. Trotzdem hält sich die Begeisterung in Grenzen. Unübersehbar ist die Zahl der Menschen, die gar nicht erst wählen wollen. Ihnen ist alles gleichgültig. Ihr Interesse an dem Recht auf Mitbestimmung ist irgendwie verloren gegangen. Es gibt womöglich keine stärkere Gruppierung in unserer Gesellschaft, die mit ihrer imposanten Gleichgültigkeit unbewusst so viel Macht und Einfluss hat. Die Leute sind durchaus informiert, sehen, was in der Welt passiert, wollen aber mit allem nichts zu tun haben. Sie kümmern sich hinreißend um Haus und Hof, pflegen ihren Vorgarten, sind Familienmenschen mit Hingabe und vor allem darauf bedacht, überall und nirgends mit einem Standpunkt wiederzuerkennen zu sein. Mit ihrem ausgeprägten Talent, sich aus allem herauszuhalten, schaffen sie es irgendwie, sich immer auf die vermeintlich richtige Seite zu schlagen.
Überlebensstrategisch geschickt, gehören sie nach jedem Erdbeben der Geschichte meist zu denen, die von nichts wussten und dafür nichts können. Sie schaffen es zu allen Zeiten schon, eher zu den Überlebenden zu gehören. Jeder Reflex an Mitleid, Mitmenschlichkeit und humanitärem Gehabe, ist ihnen durch hartes Training langsam, aber sicher abhandengekommen. Sie haben sich eine undurchdringliche Hornhaut auf der Seele wachsen lassen und sind mit nichts mehr zu erschüttern. Dabei sind gerade sie die Basis für alle Diktaturen und menschenverachtenden Systeme, die mit der schweigenden Mehrheit der Gleichgültigen in aller Willkür agieren. Die Behauptung, dass man als Einzelperson doch nichts ausrichten könne, gehört zum Glaubenskenntnis der Gleichgültigen.
Die Bibel hat dagegen eine eindeutige Position, wenn sie von uns klare Haltung verlangt und sagt: „Eure Rede sei Ja, Ja oder Nein, Nein. Alles andere taugt nichts!“ (Matthäus 5,37). Mit anderen Worten: Wir haben keine andere Wahl, als zur Wahl zu gehen.