Das Ja im Blick

Impuls für den Sonntag Lätare: Lukas 22,54-62.

Lukas 22,54-62

Und alsbald krähte der Hahn. Und Petrus gedachte an des Herrn Wort, wie er zu ihm gesagt hatte: Ehe heute der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und Petrus ging hinaus und weinte bitterlich

privat
Die promovierte Theologin Susanne Edel ist Pfarrerin in Kirchen­tellinsfurt, Dekanat Tübingen.

„Freut euch mit Jerusalem!“ Nach Jesaja 66,10 hat der Sonntag seinen Namen „Freut euch!“ erhalten. Wenn ich in diesem Jahr an Jerusalem denke, weine ich. Durch die Tränen blinzelt eine Vision: 2026 im Versöhnungszentrum Jerusalem. Rabya und Ali können unter Tränen nur stockend berichten. Sie hatten sie damals aus den Trümmern gezogen: Fatima und Achmed. Die Bestattung musste schnell gehen, wer wusste schon, wann die nächsten Bomben fallen würden. Auf Fotos sind die zwei Kinder zu sehen. Auch Samuel und Ruth weinen. Beim Zuhören. Zuvor hatten sie erzählt vom 7. Oktober 2023 und von Levi und Jonathan, ihren beiden Buben. Nun weinen alle vier.

Wo Tränen fließen, ist Liebe im Raum. Zuvor war Erstarrung. Wie damals in Gethsemane: „Und Petrus ging hinaus und weinte bitterlich.“ Wie soll es weitergehen? Sie haben Jesus abgeführt. Einfach mitgegangen ist er. Dabei hatte Petrus noch versucht, ihn zu verteidigen, hatte gar einem Soldaten ein Ohr abgehauen. Jesus hatte es wieder geheilt. „Lasst ab! Nicht weiter!“ Das war das Letzte, was er von ihm gehört hat. Betäubt geht Petrus in sicherem Abstand der kleinen Gruppe hinterher. Ihm ist so kalt an Leib und Seele. Da im Hof – ein Feuer. Ein paar Bedienstete drumherum, man sieht sie nicht so genau. Da kann er sich ruhig dazustellen. Und dann erkennen sie ihn doch: „Du gehörst auch dazu!“ Er streitet es ab. Drei Mal. Was soll die Wahrheit bringen? Jesus hätte ja nichts davon, wenn er auch eingesperrt würde. Und außerdem weiß er gerade selbst nicht, wohin er gehört. Was war das in den letzten Monaten? Was ist jetzt? Wie geht’s weiter?

Vorhin, bei Tisch, da hatte er noch zu Jesus gesagt: „Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis zu gehen!“ Jesus sah ihn an. Traurig. „Petrus,“ sagte er, „der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, mich zu kennen.“ Da, der Hahnenschrei. Und ein Blick von drinnen: Jesus schaut ihn an. Der Schmerz durchzuckt ihn. Er rennt weg. Weint, weint, weint.

Wie kann denn diese Geschichte dem Sonntag Lätare zugeordnet sein? Da sollte doch ein bisschen Osterfreude aufleuchten! Der Text weckt eher mein schlechtes Gewissen: Wenn ich Jesu Botschaft verleugne. Gott und Menschen im Stich lasse. Mein Fähnchen nach dem Wind drehe wie der Wetterhahn. Orientierungslos – ja, da kann ich mithalten. Wie um Himmels willen soll es denn weitergehen – damit, wie wir mit unseren Waffen Blutvergießen nähren. Mit Menschenrechten, die nur noch für bestimmte Gruppen gelten sollen. Mit meinem kleinen Leben und seinen Schmerzpunkten – in der großen Weltgeschichte? Wo gehöre ich hin?

Einer hat das Ja im Blick. Er sieht. Er sieht seinen geliebten Petrus. Mitten in dem, was abgeht, schaut Jesus Petrus an. Der fängt seinen Blick auf. Nur Lukas berichtet von diesem Moment. Petrus ist voller Nein: Nein, ich gehöre nicht dazu. Nein, das darf nicht sein. Jesus hat das Ja im Blick. Ja, Petrus, du und ich, wir gehören zusammen. Auch jetzt. Petrus wird noch oft ins Gefängnis gehen – später. Jetzt weint er. Bricht sich da die Osterfreude doch schon ein klein bisschen Bahn? Die Freude im Leid? Hoffnung unter Tränen?

Der Hahn kräht. Im Morgengebet beten Jüdinnen und Juden zu dem Gott, „der dem Hahn Verständnis schenkte, zwischen Tag und Nacht zu unterscheiden“. Als Jesus ihn anschaut, kann Petrus wieder zwischen Ja und Nein unterscheiden. Er findet zurück ins Ja zu Gottes Weg samt den Steinen darauf – unter Tränen.

Gebet

Schweige nicht zu meinen Tränen, Gott! Das Blut deiner Menschenkinder schreit zum Himmel. In Israel, in Gaza, im Donbass und sonst wo. Wie kann das enden? Schicke dein Ja in meinen Blick. Verwandle mein Nein, meine Angst, meine Erstarrung in Tränen, die heilen und in Kraft, die Gewalt zu stoppen. Amen.

Den geistlichen Impuls für jeden Tag finden Sie im AndachtsCast.

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