Direkt zum Inhalt
Impuls

Das Licht des Lebens

Impuls für den Ostersonntag: Johannes 20,11-18.

Johannes 20,11-18

Sie sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, wo der Leichnam Jesu gelegen hatte. Und die sprachen zu ihr: Frau, was weinst du? Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben. Und als sie das sagte, wandte sie sich um und sieht Jesus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist.

Pfarrerin Dorothee Wüst
Melanie Hubach
Pfarrerin Dorothee Wüst ist Kirchen­präsidentin der Pfalz.

Maria Magdalena macht sich auf den Weg. Ihre Schritte sind schwer, ihr Herz voller Schmerz. Vorgestern erst haben sie ihn hingerichtet. Ihn, der ihr alles bedeutet. Mit seinen Gliedern zerbricht ihr Leben, mit seinem Tod stirbt ihre Hoffnung. Es ist noch dunkel. Auch in ihrer Seele. Nichts ist ihr geblieben außer einem Grab. Und das ist leer. Bis auf zwei Männer in weißen Gewändern.

„Frau, was weinst du?“ Merkwürdige Frage. Wer jemals einen Menschen an den Tod verloren hat, kennt den Schmerz, die Tränen. Der, den man liebt, ist weg. Da wird man ja wohl noch weinen dürfen. „Frau, was weinst du?“ So fragt auch der Gärtner. Der gar keiner ist. Aber Maria ist so sehr im Tunnelblick des Todes, dass sie die Hoffnung nicht erkennt, die neben ihr steht. Maria. Erst als er ihren Namen spricht, ist der Bann gebrochen, bekommt die harte Schale der Hoffnungslosigkeit Risse, ist die Realität des Todes gebrochen. Das Licht des Lebens stiehlt sich zurück in ihr Herz. Langsam.

Diese Geschichte ist mehr als eine schöne Erzählung aus alter Zeit. Sie berührt mich im Hier und Jetzt, in diesen Zeiten voller Angst und Unsicherheit. So viele Menschen stehen vor den Gräbern ihrer Hoffnungen, Konflikte erschüttern die Welt, Zukunftssorgen rauben Zuversicht. „Frau, was weinst du?“ So viele Frauen weinen um ihre Männer und Söhne, stehen mit Maria in der Dunkelheit von Trauer, geplatzten Träumen und zerbrochener Zukunft: Wo ist Jesus? Wo ist der Christus in all dem Chaos?

Er ist da, wo er immer war, ist und sein wird. Er ist neben mir. Vielleicht unerkannt. Vielleicht nicht so, wie ich es erwarte. Aber so, wie ich es brauche. Wie Maria es braucht. Natürlich will sie ihn umarmen, festhalten. Aber die Hoffnung lässt sich nicht festhalten. Manchmal muss ein Zeichen genügen. Um den nächsten Schritt zu tun. Immer nur den nächsten Schritt. Ins Leben.

Gott hat es mit Golgatha nicht bewenden lassen. Hat dem Tod und der Dunkelheit nicht das Feld überlassen. Steht selbst auf für Leben und Hoffnung. Tut es auf seine Weise. Und nimmt uns mit auf seine Reise. Durch das Leben. Trotz alledem. Das Leid verschwindet nicht, die Dunkelheit wirft weiter Schatten, Angst macht Herzen hart. Aber seit Ostern wissen wir um Risse, durch die das Licht scheint. Hoffnungslicht. Friedenslicht. Lebenslicht. Nur Risse? Vielleicht. Aber sie reichen. Für Maria. Die zurück ins Leben geht. Schritt für Schritt. Dabei murmelt sie das, was eben noch absurd war: „Er ist auferstanden.“

Millionen von Christinnen und Christen sprechen und singen an Ostern das, was für unsere Hirne so absurd klingt: „Er ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden.“ Und mit Maria erlebe ich, wie Gott mitten in mein Herz spricht, in meine Angst, so dass ich gegen sie ansinge. Hoffnungslieder. Friedenslieder. Lebenslieder. Mitten hinein in diese Welt, die solche Lieder dringend braucht.

Die Sonne geht auf. Marias Schritte sind beschwingter. Sie hat etwas zu erzählen. „Frau, was lachst du?“ Ich habe den Herrn gesehen. Und er hat mich gesehen. Er hat meine Angst, meine Hoffnungslosigkeit, mein Elend gesehen. Und hat mich das Leben spüren lassen. Trotz alledem. Auf geht’s. Schritt für Schritt. Das Leben wittert Morgenluft. Und ich wittere mit. Frohe Ostern Ihnen allen! 

Gebet

Gott des Lebens, nimm wahr, was uns ängstigt, nimm wahr, was uns belastet. Gott des Lebens, durchbrich unsere Lähmung, durchbrich unseren Tod. Gott des Lebens, lass uns Hoffnung ahnen, lass uns Leben schmecken. Trotz alledem. Amen.

Den geistlichen Impuls für jeden Tag finden Sie im AndachtsCast.

Weitere Impulse