„Stern über Bethlehem, zeig uns den Weg. Führ uns zur Krippe hin, zeig wo sie steht. Leuchte du uns voran, bis wir dort sind. Stern über Bethlehem, führ uns zum Kind.“ So haben Sie vielleicht auch in der Advents- und Weihnachtszeit gesungen. Fröhlich und beschwingt ist die Melodie. Ein echter Ohrwurm, der vielleicht noch über Weihnachten hinaus in uns nachklingt.
Doch die, von denen im Matthäusevangelium berichtet wird, wie sie dem Stern folgten, hatten einen langen Weg hinter sich. Sie kamen aus dem Osten, aus Persien oder Babylon. Persien – das erinnerte viele Menschen damals an die Geschichte der Königin Ester. Nur durch ihr mutiges Auftreten beim König konnte sie die Vernichtung des jüdischen Volkes in ganz Persien verhindern. Babylon war für viele -damals gleichbedeutend mit Exil. Das alles schwingt also mit, wenn im Matthäusevangelium berichtet wird, dass die Sterndeuter aus dem Osten kamen.
Die Reisenden, die dem Stern folgen, kommen in friedlicher Absicht. Sie suchen den neuen König der Juden. Vor ihm wollen sie sich niederwerfen. Als sie am Palast von König Herodes in Jerusalem ankommen, scheinen sie ihr Ziel erreicht zu haben. Aber sie werden enttäuscht: Sie sind bei einem brutalen Herrscher gelandet. Die Nachricht von der Geburt eines neuen -Königs lässt ihn erschrecken und um seine Macht fürchten. Doch die Sterndeuter aus dem Osten lassen sich nicht beirren. Sie machen sich noch einmal auf und ziehen weiter. So führt sie der Stern schließlich zum Ort ihrer Sehnsucht, zu dem König, den sie gesucht haben: Dem Kind in der Krippe, dem König, der alles neu macht. Er ist ein Friedefürst, der Recht und Gerechtigkeit schafft. Einer, der Menschen mit seiner Liebe überwältigt und selbst Gewalt erleidet. Als Erwachsener wird dieses Kind königlich auf einem Esel in Jerusalem einziehen und am Ende als König der Juden gekreuzigt werden. Das alles weiß der Evangelist, als er diese Geschichte niederschreibt – genauso wie die Leserinnern und Leser.
Vor diesem König in der Krippe verneigen sich also die Sterndeuter aus dem Osten. So gesehen klingt diese Erzählung für mich wie eine Wundergeschichte aus der Heiligen Nacht, in der unmöglich Geglaubtes plötzlich Wirklichkeit wird. So leuchtet uns zum Epiphanias-Fest eine weitere Facette dieses Wunders der Heiligen Nacht auf: Nicht nur die, die sonst unbeachtet im Dunkel stehen wie die Hirten, treten ein ins Zentrum des Geschehens. Auch eine alte Feindschaft wird begraben, Neues kann wachsen. Neue Hoffnung keimt auf. Alte Verheißungen beginnen in den Herzen der Menschen zu blühen. Die Welt erscheint in einem anderen Licht.
Spüren Sie die Hoffnung, die von diesem Bild ausgeht? Eine Hoffnung, die wir gerade dringend benötigen. Lassen Sie uns vor diesem Kind niederknien und erwartungsvoll hoffend schauen, welches Wunder wir dabei erleben.