Vor der Kreuzigung werden wir mitgenommen an verschiedene Orte: Vor das Richthaus, in den Verhörraum zu Pilatus, zum Hügel Golgatha, unter das Kreuz. Die Stationen der Passionsgeschichte entsprechen dem Einsetzungsritual eines Königs in sein Amt: vom Einzug in Jerusalem: „Siehe, dein König kommt“ bis zum „Kreuzige, kreuzige“.
„Sehet, welch ein Mensch“, sagt Pilatus abfällig. Der Evangelist hört in den verächtlichen Worten den Klang der Wahrheit: Seht da den wahren Menschen, den Menschen im Einklang mit Gott. Der von Pilatus vorgeführte Spottkönig ist der wirkliche König. Pilatus arbeitet an seiner „Thronbesteigung“ mit.
Die göttliche Wahrheit wird zum Spott gemacht, wird gekreuzigt. Jesu Tod ist der Vollzug seiner Inthronisation. Das sieht aber nur das Auge des Glaubens. Alle anderen sehen nur einen der vielen Gescheiterten der Geschichte. In ihm aber handelt Gott. Er wird Jesus auferwecken: Der große Gott verbindet sein ewiges Leben mit diesem Menschen. Die Sprache des Glaubens hat das so ausgedrückt: Sie nannte Jesus „Gottes Sohn“. Er ist der Mensch, in dem Gottes Wort Fleisch wurde, so schreibt es der Johannes-Prolog. Die Menschen „trachteten danach, ihn zu töten weil er sagte, Gott sei sein Vater, und machte sich selbst Gott gleich.“
Wie Jesus litt, litten viele Menschen vor und nach ihm. Ihr Ruf nach Gott verhallt aber nicht ohne Antwort in der Leere des Weltraums. Gott antwortet! Sein Sohn, der Mensch Jesus von Nazareth, ist die Antwort Gottes auf den Schrei des Schmerzes und des Leides in der Welt – damals wie heute.
Das Geschehen am Kreuz sehen wir aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Wir begleiten Jesus bis zu seinen letzten Atemzügen, hören seine letzten Worte. So zieht Jesus uns geradezu hoch zu sich ans Kreuz: „Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich sie alle zu mir ziehen.“ Er ist angekommen auf Golgatha. Er hat erfüllt, wozu er gesandt wurde. „Ich bin in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit zeugen soll.“ Geheimnisvoll hatte er sich selbst gemeint in den Worten: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, so bringt es viel Frucht.“
Am Ende spricht Jesus: „Mich dürstet.“ Jesus nimmt den Essig und spricht: „Es ist vollbracht“, und neigte das Haupt und verschied. „Es ist vollbracht“ – mit diesen Worten übergibt er seinen Geist. Er ist zum König inthronisiert, er ist bei Gott. Für das Johannesevangelium fallen Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt zusammen. Der wahre König ist verherrlicht und erhöht zu Gott.
Wieso zeigt sich Gottes Liebe im Tod? Wir dürfen glauben, dass nichts uns scheiden kann von der Liebe Gottes, auch nicht der Tod. Der Gott, der die Liebe ist, wendet auch unseren Tod ins Leben.