Impuls

Die Aussicht wird herrlich sein

Impuls für den 2. Sonntag nach dem Christfest: 1. Johannes 5,11-13.

1. Johannes 5,11-13

Und das ist das Zeugnis, dass uns Gott das ewige Leben gegeben hat, und dieses Leben ist in seinem Sohn. Wer den Sohn hat, der hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht. Das habe ich euch geschrieben, damit ihr wisst, dass ihr das ewige Leben habt, die ihr glaubt an den Namen des Sohnes Gottes.

Pfarrer Oliver Helmers
Foto: privat
Oliver Helmers ist Pfarrer in Denkingen, Dekanat Tuttlingen.

„Das ist doch kein Leben mehr“, flüstert sie ihrer Freundin zu. Eine Träne rinnt ihr über die Wange. Die beiden können es immer noch nicht fassen, dass ihre Nachbarin so kurz vor Weihnachten einen schweren Schlaganfall erlitten hat. Zwei Wochen später steht fest: Helga wird ein Pflegefall bleiben, sie wird weder sprechen noch laufen können und rund um die Uhr auf Hilfe angewiesen sein. Dabei hatte sie erst vor wenigen Jahren ihren 70. Geburtstag gefeiert. Damals war sie noch voller Energie und Pläne gewesen.

„Das ist kein Leben mehr“ – wie oft sagt man einen solchen Satz, ohne wirklich darüber nachzudenken. Und doch ist er verräterisch, weil er unweigerlich unsere eigenen Vorstellungen von einem „guten“ Leben offenbart. Welche Vorstellungen tragen wir denn in uns? Ein Leben, das im Instagram-Feed gut aussieht, in dem der Körper fit, der Geist klar und das Lächeln strahlend ist? Ein Leben „forever young“ – vital, dynamisch und erfolgreich? Alter, Krankheit, Schwäche, Schmerz? All das wird in unserer von Optimierungsidealen getrie-benen Zeit lieber ausgeblendet.

Wenn wir ehrlich sind, haben wir alle schon einmal gedacht: „So möchte ich nicht enden.“ Aber woher kommt dieses „so“? Ist es unsere unrealistische Vorstellung vom Leben auf dieser Erde? Oder ist es die Angst vor Kontrollverlust und Abhängigkeit?

„Wer den Sohn hat, hat das Leben“, schreibt jemand, der sich in dieser Welt voller Schrammen, Narben und Wunden fest an den Glauben an Jesus Christus klammert. Sein Gottvertrauen gibt ihm eine Stütze, egal wie hart die Stürme des Lebens toben. Und darum möchte er diese unerschütterliche Zuversicht in die ganze Welt hinausrufen; denn sie spendet Trost, der selbst in den dunkelsten Momenten aufleuchtet.

So ist es auch bei dem Mann, dessen Tage gezählt sind. Ich besuche ihn an seinem Sterbebett. Fast scheint es, als stünde er schon mit einem Bein im Himmel, während das andere noch auf der schmerzerfüllten Erde verweilt. Während wir uns unterhalten, fällt ein Lichtstrahl ins Wohnzimmer. Seine Augen beginnen zu leuchten, als er persönlich wird: „Ich weiß nicht, was ich ohne meinen Glauben tun würde“, sagt er leise. „Wenn ich an die Zukunft denke, denke ich nicht an meinen vom Krebs zerfressenen Körper, auch nicht an meine eigene Beerdigung.“ Seine Perspektive ist eine andere. Mit einem sanften Lächeln erklärt er: „Wissen Sie, mein Leben fühlt sich gerade an wie ein steiler Aufstieg. Die Luft wird immer dünner, die Schritte werden schwerer. Aber bald habe ich es geschafft, dann stehe ich am Gipfelkreuz. Dann bin ich am Ziel angekommen und wissen Sie was? Die Aussicht wird herrlich sein.“

Jesus verspricht: „Ich gebe dir das ewige Leben“ – ein erfülltes Leben, das auch in den schwersten Tagen von Hoffnung und Zuversicht getragen ist. Auf ein solches Leben verzichten? Für Johannes aus unserem heutigen Predigttext wäre das unvorstellbar: „Das wäre doch kein Leben“, würde er vermutlich kopfschüttelnd denken. Er jedenfalls könnte so nicht leben.

Gebet

Jesus Christus, du hast mir nicht nur das Leben geschenkt. Du willst mich auch in allen Höhen und Tiefen meines Lebens begleiten. Dir vertraue ich mein Leben an! Amen.

Den geistlichen Impuls für jeden Tag finden Sie im AndachtsCast.

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