Seit dem Frühjahr schiebe ich ihn vor mir her: den Frühjahrsputz. Jetzt ist Sommer und im Haus noch immer weder geputzt noch aufgeräumt. Die schwäbische Hausfrau in mir hat ein schlechtes Gewissen. Mit diesem Gefühl schlage ich meine Bibel auf und lese: „Wandelt als Kinder des Lichts“ – eine Lebensweise, die viel Positives nach sich zieht: „Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit“. Wer will das nicht? Und doch frage ich mich, ob mich dieser Aufruf nicht ähnlich überfordert wie der angestrebte Frühjahrsputz. Was heißt es, als Kind des Lichts zu leben?
Ich höre einen moralischen Appell: Sei ein guter Christ! Aber ist das wirklich gemeint? Und wenn ja, wie soll das in unserer komplexen Welt aussehen? Und da ist sie wieder, die Überforderung, die Unlust, in mir selbst wie auch in den eigenen vier Wänden endlich aufzuräumen.
Wenn es nun aber nach dem Bibeltext geht, dann ist es Christus selbst, der sich den Staubwedel schnappt und aufzuräumen beginnt. „Alles aber wird offenbar, wenn’s vom Licht aufgedeckt wird“ – Christus ist das Licht, das unser Inneres samt unseren Fehlern, dem schlechten Gewissen und den dunklen Gedanken zum Leuchten bringt. Er kennt uns und wirkt mit seinem Geist in uns. Letztlich ist er der Antreiber, der mich dazu bringt, zu Mopp und Lappen zu greifen, nicht ich selbst und schon gar nicht mein schlechtes Gewissen. Denn Christus sagt zu mir: „Ich weiß, was du unter den Teppich gekehrt hast und vor mir verstecken möchtest. Aber ich liebe dich trotzdem. Du bist ein Kind des Lichts, auch wenn es in dir dunkel ist.“
Weil Christus leuchtet und Dunkles hell macht, kann ich ohne Überforderung und ohne Druck ein Zimmer nach dem anderen angehen. Und das, weil ich es ihm schön machen möchte. Dabei ist dieses innerliche Aufräumen ein Prozess, eine Art Verwandlung, die immer wieder neu stattfinden muss. Angefangen in der Taufe leben wir mit der Aufforderung, die Zusage zugleich ist: „Lebe als Kind des Lichts, weil du ein Kind des Lichts bist.“ Das nimmt mir mein schlechtes Gewissen: Ich muss keine perfekte schwäbische Hausfrau sein und – viel wichtiger – ich darf mich daran erfreuen, dass Gott mich so annimmt, wie ich bin.
Das motiviert mich: Weil Christus am Kreuz tiefstes Dunkel durchlitten hat und in der Auferstehung hellstes Licht erstrahlen lässt, bin ich als seine Nachfolgerin dazu imstande, ebenso zu strahlen. Als Gemeinschaft der Getauften, als Kirche, sind wir dazu beauftragt. Das bedeutet, dass wir aufrichtig leben, um Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit zum Strahlen zu bringen. Aber nicht aus schlechtem Gewissen heraus, sondern weil Christus das Licht ist, das jeden erleuchtet. Es sind also nicht die inneren Antreiber, die uns zum guten Christen machen, sondern allein unser Vertrauen darauf, dass Christus Grund und Mittelpunkt unseres Lebens ist.
Innerlich ruhig und gelassen sitze ich nun auf dem Sofa, denke an die unerledigten Aufgaben, die ich seit dem Frühjahr vor mir herschiebe, lächle und lese den Weckruf: „Steh auf! So wird dich Christus erleuchten.“ Die schwäbische Hausfrau in mir will aufstehen, den Staubwedel zücken und loslegen, aber ich widerstehe, schließe die Augen und bete.