Wenn sich im September die ersten Bäume rot und golden färben, begegnen wir einem Psalm, der das Leben und das Glück besingt: „Das Los ist mir gefallen auf liebliches Land.“ Wie viel Grund er hat, Gott mit fröhlichem Herzen zu danken! Das Psalmlied kann auch uns zu mehr Lebensfreude anstiften. Das Wichtigste im Leben fällt uns zu – gratis: das Glück gelingender Beziehung und Freundschaft; der Segen, den Kinder in ein Leben bringen; das Glück, den richtigen Berufsweg eingeschlagen zu haben und noch im Alter ernten zu können.
Doch damit nicht genug. Psalm 16 singt vom Leben – das im Tode nicht endet. Wenn der menschliche Leib mit Erde bedeckt wird, ist nicht einfach alles aus und vorbei. Gott überlässt das Leben, die Seele des Menschen, nicht einfach dem Tod. Nein, Gott zeigt ihm einen neuen und unerhörten Weg ins Leben. Wer geglaubt hat, die „Hebräische Bibel“, die wir Christen Altes Testament nennen, ahnte noch nichts von einem Leben nach dem Tod, findet in Psalm 16 Hoffnungsspuren. Juden beten die Worte dieses Psalms bis heute, wenn im Grab der Körper des Verstorbenen mit Erde bedeckt wird: „ … auch mein Leib wird sicher wohnen. Denn du wirst meine Seele nicht dem Tode lassen.“
Bei aller Zurückhaltung im Judentum im Sprechen über ein Leben nach dem Tod: Die Worte von Psalm 16 nehmen etwas vom Jubel eines Osterlieds vorweg: „Gott hat dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht!“ (2. Timo-theus 1,10). Der Beter ist sich sicher: Unser kostbares Leben kann sich bei Gott noch im Sterben bergen, sicher wohnen. Keine triste Schattenexistenz in der Unterwelt ist da gemeint, sondern echtes Leben.
Wesentlicher noch als Weihnachten ist für unseren Glauben Ostern, die Hoffnung auf Leben. Aber gerade darin tun wir uns oft schwer, vom Leben zu singen, von unserem Hoffen auf ein Leben danach. Wie kleinlaut wird unser Singen, wie schnell verstummt der Osterjubel im Alltag.
Im Urlaub auf der Nordseeinsel Föhr las ich auf einem dieser wunderbar erzählenden Grabsteine des Friedhofs von Süderende von der Lebenshoffnung eines Malers und Dorfschulmeisters. Sein Name ist Oluf Braren. Er starb 1839 nach einem kargen Leben mit 52 Jahren oder, wie es da wörtlich heißt: „… ging er zum besseren Leben ein.“ Über seinem Grabstein ließ er schreiben, worauf er hoffen und vertrauen wollte – noch im Sterben: „Nur der Erdenleib wird Erde – sein Bewohner bleibt.“ Was für ein starker Satz: „Du wirst meine Seele nicht dem Tode lassen.“
Der Gott, der hier so viel Leben ermöglicht, wie sollte er mein Leben, meine Seele dem Tod überlassen? Wie sollte alles einfach in einem Grab enden? Hoffnung bricht sich Bahn: Du zeigst mir den Weg ins Leben.
Es ist Spätsommer und auf den Feldern und in den Weinbergen wird längst geerntet. Dankbarkeit mag sich hineinmischen in all das Vergehen, wenn die ersten Blätter fallen. Auf halber Strecke zwischen zwei Osterfesten erinnern wir uns am 16. Sonntag nach dem Dreieinigkeitsfest unserer österlichen Hoffnung. Es ist die Hoffnung, die uns sterbend hinübertragen kann in das neue Leben.