Manchmal sind wir in der Kirche relativ distanziert. Wir gehen in den Gottesdienst, zum Vortrag oder ins Konzert, freuen uns an guten Eindrücken oder ärgern uns über schlechte, reden ein paar Takte, falls wir jemand kennen, und dann gehen wir wieder heim. Und das ist okay. Nicht jede kirchliche Veranstaltung muss eine große Verbrüderung oder Verschwisterung zur Folge haben.
Manchmal geschieht es aber doch. Der Abendgottesdienst, bei dem wir in einer Phase des Austauschs einander erzählen, wo Gottvertrauen uns getragen hat. Und plötzlich entsteht ein tiefes Hinhören und Mitreden. Oder der Gemeindekreis, in dem welche einander daran teilhaben lassen, was gerade schwer ist, was leicht. Und wir spüren, dass wir gemeinsam von einem besonderen Geist getragen werden. „Machen“ kann diesen Geist keiner. Aber wo das Vertrauen, von dem Jesus getragen ist, unter uns zum Thema wird, und wo wir einander die Chance geben, vertrauensvoll miteinander umzugehen, da zeigt er sich gerne.
Der Anfang ist Vertrauen. „Abba, lieber Vater!“ So einfach kann Theologie sein. Gott ist unser „Abba“, unser „Papa“. Gott ist keine unbegreiflich ferne Sphäre. Jesus, und auf seiner Spur auch Paulus hier im Römerbrief, sagen uns: Gott ist ein „Du“. Einer, dem ich mich anvertrauen kann. Dem ich selbst mein Unaussprechliches anvertrauen kann. Wie ein Kind, das sich an den Papa kuschelt oder an die Mama. Und manchmal sagt das Kuscheln mehr als viele Worte.
Dieses Du und dieses Vertrauen, sie machen etwas mit mir. Paulus nennt das die Wirkung von Gottes Geist in uns. Gottes Geist macht uns frei, das ist die Erfahrung und Überzeugung des Paulus. Frei von Knechtschaft, von Abhängigkeit, von schlechten Bindungen. Frei vom Misstrauen. Frei, mich anzuvertrauen.
Interessant, wer alles in diesem Textabschnitt miteinander im Kontakt, im Austausch, in Kommunikation ist: Gottes Wort und Geist in mir, und sie machen, dass ich spreche, dass ich Vertrauen fasse wie ein Kind, dass ich zu Gott rufe und dass ich auch mit anderen in den Austausch gehe, in aller Freiheit eines Gotteskindes.
Schön und gut. Und wo findet das in meinem Leben statt? Was sind die Momente, in denen das Vertrauen mich trägt, über das ganze Misstrauen hinweg, das mich klein macht und unfrei? Manchmal muss ich lange suchen, um so einen Moment wahrzunehmen. Manchmal spüre ich nur die vielen Verpflichtungen und Herausforderungen, die mich drücken und zwicken. Ist das die Freiheit eines Gotteskindes?
Und dann finde ich sie doch, manchmal mitten in der Gemeinde. Der erwähnte Abendgottesdienst, bei dem wir ins Gespräch kommen über das, was uns trägt. Und in der Unterhaltung merkt eine an: „Stimmt, das kenne ich auch.“ Und sie legt ihre Geschichte dazu. Oder die Chorprobe – fünfmal klappt die schwierige Stelle nicht recht – und wir machen erstmal Pause, lassen frische Luft rein, und danach läuft es wie von selbst und wir lachen erlöst.
Ich finde die Freiheit auch in schweren Momenten, in denen wir einander beistehen. In Momenten, wo wir sprachlos werden, weil Schlimmes passiert. Weil eine krank ist. Oder weil Vertrauen missbraucht und einem weh getan wurde. Im da Sein, beim Zuhören, beim Aushalten – auch da zeigt sich die Freiheit von uns Gotteskindern.