Impuls

Heiligung des Lebens

Impuls für den 13. Sonntag nach Trinitatis: 3. Mose 19,1-3+13-18+33-34.

3. Mose 19,1-3+13-18+33-34 (in Auszügen)

Und der Herr redete mit Mose und sprach: Rede mit der ganzen Gemeinde der Israeliten und sprich zu ihnen: Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig, der Herr, euer Gott. Ein jeder fürchte seine Mutter und seinen Vater. Haltet meine Feiertage; ich bin der Herr, euer Gott.

Pfarrer Peter Schaal-Ahlers
privat
Peter Schaal-Ahlers ist ­Pfarrer am ­Ulmer Münster.

Was bedeutet der Satz: „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig, der Herr, euer Gott?“ So könnte ein Zwölfjähriger in Babylon seinen Vater gefragt haben. Dort ist dieser Text nämlich vor rund 2500 Jahren entstanden. Die Antwort könnte gelautet haben: „Gott liebt sein Volk Israel. Wir gehören zu Gott. Er liebt uns und beschützt uns.“ Vielleicht hätte der Sohn nachgefragt: „Und was heißt ‚heilig‘?“ Möglicherweise hätte der Vater nach kurzem Nachdenken geantwortet: „Unser Gott ist der unsichtbare Gott, der unsere Vorfahren aus der Sklaverei in die Freiheit geführt hat. Wer zu diesem Gott gehört und bei ihm bleibt, der ist heilig. Und ‚heilig‘ heißt, dass wir uns unterscheiden und nicht alles mitmachen sollen, was die anderen tun. Vor allem sollen wir keinen anderen Göttern dienen. Dass wir zu Gott gehören, wird jede Woche auch am Sabbat deutlich. Gott schenkt uns einen Ruhetag, den wir heilighalten sollen.“

Durch Gespräche und Durchdenken der Heiligen Schrift wächst ein Kind in den Glauben hinein. Wer auf den heiligen Gott vertraut, entwickelt Haltung. Wer glaubt, wird kritisch gegenüber allen menschlichen Ideen, die vorgeben, unumstößlich und heilig zu sein.

Die Predigtstelle ist dem Heiligkeitsgesetz entnommen. In diesem Text gibt es zahlreiche ethische Anweisungen. Etwa: Du sollst andere Menschen nicht ausbeuten. Du sollst andere nicht verleumden. Schüre keinen Hass. Sag vor Gericht die Wahrheit. Du sollst deinem Zorn nicht freien Lauf lassen. Fremdlinge sollen nicht unterdrückt werden. Viele dieser Anweisungen könnten heute geschrieben sein.

Im Heiligkeitsgesetz findet sich auch der berühmte Satz: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Vielen ist gar nicht bewusst, dass das Gebot der Nächstenliebe bereits im Alten Testament steht. Jeder Jude kann und muss seinem Nächsten nicht nur im materiellen, sondern auch im geistigen Sinn etwas geben. Wenn ein armer und ein reicher Mann zusammenkommen und der Reiche dem Armen hilft, erleuchtet Gott die Augen beider, heißt es im Talmud. Auch der Reiche profitiert vom Geben und Nehmen. Meist wird der Aufruf zur Nächstenliebe verkürzt zitiert. Der ganze Satz heißt: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin der Herr.“ Dieser Nachsatz macht klar, wer der Chef im Ring ist. Nächstenliebe wurzelt im Glauben an Gott.

Wer an den heiligen Gott glaubt, entwickelt selbst Haltung. Vor einiger Zeit war ein Füller im Klassenzimmer verschwunden. Ein Mitschüler beschuldigte seine Nachbarin, den Füller eingesteckt zu haben. Daraufhin fragte ich die Schülerin: „Emilia, hast du vielleicht Svens Füller genommen?“ Empört antwortete Emilia: „Herr Pfarrer, was denken Sie von mir? Ich klaue doch nicht!“ Als ich erkannte, wie sehr ich die Schülerin verletzt hatte, bat ich Emilia um Entschuldigung. In diesem Moment wurde mir klar, dass Emilia eine starke Haltung entwickelt hatte.

„Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig, der Herr, euer Gott.“ Dieser Satz umfasst das ganze Leben: das Lieben und Arbeiten, den Umgang mit dem Geld, das Reden, Schweigen, Schreiben und auch den Umgang mit dem Körper, dem eigenen und dem anderer Menschen. Der Sohn wird gestaunt haben. Ich auch.

Gebet

Du hast die Welt geschaffen, heiliger Gott. Du hast uns das Leben geschenkt. Jeden Tag sorgst du für uns. Du bist großzügig und hältst uns. Lass auch uns großzügig sein und gib uns Haltung. Amen.

Den geistlichen Impuls für jeden Tag finden Sie im AndachtsCast.

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