Als ich vor einigen Jahren in Bad Mergentheim angekommen war – es waren längst noch nicht alle Umzugskisten ausgepackt, im Haus funktionierte manches noch nicht und so vieles war neu und ungewiss – stand eines Tages, vom Pfarrgarten aus gut zu sehen, ein Regen-bogen über der Schlosskirche. Wie schön! Ein Hoffnungssymbol, eine Verheißung: „Es wird alles gut werden!“ oder zumindest: „Es wird schon wieder werden!“
Im Rückblick weiß ich, dass nicht alles gut wurde: Meine Mutter, die sich gefreut hatte, dass ich wieder in der Nähe wohnte, ist nach kurzer Zeit verstorben, Corona hat unser Leben durcheinandergewirbelt und mein Mann ist schwer erkrankt. Dazu kommen die vielen Veränderungen in unserer Kirche, die uns alle beuteln, und die weltweiten Krisen, die uns beunruhigen. Wir alle können Geschichten davon erzählen, dass nicht immer alles gut wird.
Trotzdem erzählt die Geschichte von Noah und seiner Familie an ihrem Ende von Hoffnung. Nach der großen Flut ist fast alles zunichte. Eine Rückbesinnung auf das bisherige Leben ist kaum möglich. Aber sie sind davongekommen, haben sich hinübergerettet und jetzt zumindest wieder Boden unter den Füßen. Wo fangen wir an? Wie machen wir weiter? So fragt man sich nach einer solchen Katastrophe, wenn der erste Schock überstanden ist. Da erscheint der Regenbogen am Himmel, bunt und schön anzusehen – kein selbstgemachtes Zeichen, wenn auch physikalisch erklärbar. Er erscheint im richtigen Moment und erinnert Noah und die Seinen an Gottes Wort.
Wir brauchen solche Hoffnungssymbole, Zeichen, Hinweise, die uns daran erinnern: Es wird wieder weitergehen, wenn auch anders als bisher. Wir brauchen solche Hoffnungsmomente, in denen etwas aufleuchtet und klar wird. Momente, in denen wir offen sind und bereit, solche Zeichen zu sehen. Momente, die uns sagen, dass Gott trotz allem eine Zukunft für uns bereithält: Er will, dass wir leben. Und er will, dass wir leben können mit allem, was zum Leben dazugehört.
Es ist im Alltag mittendrin nicht immer einfach, solche Zeichen wahrzunehmen und offen dafür zu sein. Das, was tagein, tagaus von uns gefordert wird, deckt so manches zu, was uns aufmerksam machen könnte auf ein Zeichen der Hoffnung. Deshalb sind diese Momente so kostbar, in denen wir einen Schritt heraustreten können aus dem Alltag, um zu sehen und wahrzunehmen, was doch auch da ist.
Aus dem Kessel von Stalingrad schreibt Fritz Hartnagel, der Freund und Verlobte von Sophie Scholl, im Dezember 1942 einen Brief (veröffentlicht in „Damit wir uns nicht verlieren. Briefwechsel 1937-1943“). Er erzählt ihr darin von einem solchen Hoffnungsmoment: „Als gestern der Kriegslärm tobte, saß plötzlich ein Vöglein am Rande meines Schützenlochs und piepste vergnügt, als ob es sich darum gar nicht kümmern würde. Ich weiß nicht, was mich dazu bewegte, in diesem Augenblick so sicher anzunehmen, dass dies nur ein Gruß von Dir sein könne. Dann fühlte ich mich auf einmal so sicher in meinem Loch, als ob mir nichts auf dieser Welt etwas zu Leide tun könnte.“
Es gibt solche Momente, in denen ein Vogel nicht nur ein Vogel ist und ein Regenbogen nicht nur ein Regenbogen. Sie erinnern uns an Gottes Verheißungen, die er für uns bereithält.