Impuls

Kinder, die das Herz berühren

Impuls zum Ersten Weihnachtstag: 2. Mose 2,1-10.

2. Mose 2,1-10 (in Auszügen) 

Und die Tochter des Pharao ging hinab und wollte baden im Nil, und ihre Dienerinnen gingen am Ufer hin und her. Und als sie das Kästlein im Schilf sah, sandte sie ihre Magd hin und ließ es holen. Und als sie es auftat, sah sie das Kind, und siehe, das Knäblein weinte. Da jammerte es sie, und sie sprach: Es ist eins von den hebräischen Kindlein.

Thomas Rathay
Ernst-Wilhelm Gohl ist Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg.

Zu Weihnachten begegnen wir dieses Jahr der Tochter des Pharao. Sie hält ein Päckchen in den Händen. Es verändert ihr Leben: ein Kind in einem Kästlein. Es ist die Geschichte vom kleinen Mose im Schilf. Viele kennen sie seit Kinderkirchtagen. Dieses Jahr hören wir sie zum ersten Mal als Predigttext fürs Christfest. Vielleicht befremdet das zunächst? Doch über die Generationen hinweg sind das Kind im Kästlein und das Kind in der Krippe Geschwister. Deshalb kann uns diese Erzählung vom Anfang der Bibel Weihnachten neu erschließen. Sie erzählt einen Schlüsselmoment der Rettungsgeschichte Gottes: Gottes große Geschichte setzt im Kleinen an, in einem Moment inniger Begegnung.

Die Tochter des Pharao will sehen, was der Fluss da angespült hat. Sie öffnet das Kästlein – gespannt, erwartungsvoll. Wie ein Kind an Weihnachten. Hoffentlich sind auch wir bereit, uns überraschen und verwundern zu lassen von dem, was das Christfest uns beschert.

Die Tochter des Pharao sieht das Kind. Es ist ganz klein, erst ein paar Wochen alt. Es sieht ganz anders aus als die Puppen, mit denen sie früher spielte. Nicht so lieblich. Jämmerlich liegt es da und weint. Wahrscheinlich hat es Durst. Vielleicht ist ihm auch kalt. Und sicher trägt es in sich die Angst seiner Mutter. Schon vor der Geburt musste sie um das Leben ihres Kindes fürchten. In seinem Weinen hört die Pharaotochter die Not der Israeliten. Ihr Vater hatte befohlen, deren Neugeborene zu töten. Heute hören wir das Weinen des kleinen Mose als Urklage über die Verfolgung des Volkes Israel. Seit dem Terrorangriff der Hamas und wegen des weltweiten Antisemitismus ist diese Klage entsetzlich aktuell.

Hat Jesus auch geweint als kleines Kind in der Krippe? Wohl ja, denn als „wahrer Mensch“ hatte auch dieses Baby Hunger, Durst und Bauchweh. Und in seinem Weinen hören wir bereits den Schmerz allen Leidens der Menschen, aller Gewalt und Ungerechtigkeit dieser Welt, die er ans Kreuz zu tragen hat.

Das Kind im Kästlein öffnet der Tochter des Pharao die Augen. Sie sieht die kleine Person. Kaum geboren, hat dieser Junge keine Zukunft. Unter der herrschenden Hartherzigkeit ist er zum Tod bestimmt. Da jammert es die Tochter des Pharao. Das Weinen des Kindes berührt sie. Weinen kann anstecken.

Auch wir dürfen weinen an der Krippe – über unser persönliches Leid, über die Not unserer Geschwister und der ganzen Welt. Unsere Tränen sind nicht weniger kostbare Gaben für das Christuskind als Gold, Weihrauch und Myrrhe.

Das Kind berührt das Herz der Pharaotochter. Es rettet sie aus der Macht der Hartherzigkeit. Ihr Herz wird weich. Es wird warm und lebendig. Ihr Herzschlag kommt in Einklang mit ihrem Hören und Sehen. Alle Erstarrung fällt von ihr ab. Sie wird frei in ihrem Handeln – frei zur mutigen Tat: Sie nimmt das Kind an und eröffnet ihm damit die Zukunft. Mose verdankt ihr seinen Namen und sein Leben.

Auch uns ist ein Kind gegeben und anvertraut. Wo wir das Kind ins Herz schließen, werden auch wir befreit von dem, was unser Herz umklammert hält. So werden wir frei zu einem Handeln, das dem Leben dient.

Gebet

Brich an, du schönes Morgenlicht, und lass den Himmel tagen!

Du Hirtenvolk, erschrecke nicht, weil dir die ­Engel sagen, dass dieses schwache Knäbelein soll unser Trost und Freude sein, dazu den Satan zwingen und letztlich Frieden bringen. Amen.

Quelle: EG 33, Johann Rist, 1641

Den geistlichen Impuls für jeden Tag finden Sie im AndachtsCast.

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