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Impuls

Mit verblüffender Offenheit

Impuls für den Diakoniesonntag, 3. Sonntag nach Trinitatis: 1. Timotheus 1,12-17.

1. Timotheus 1,12-17

Ich danke unserm Herrn Christus Jesus, der mich stark gemacht und für treu erachtet hat und in das Amt eingesetzt, mich, der ich früher ein Lästerer und ein Verfolger und ein Frevler war; aber mir ist Barmherzigkeit widerfahren, denn ich habe es unwissend getan, im Unglauben. Es ist aber desto reicher geworden die Gnade unseres Herrn samt dem Glauben und der Liebe, die in Christus Jesus ist.

Portrait von Petra Frey
privat
Pfarrerin Petra Frey ist Geschäftsführerin des Evangelischen Diakonieverbands Ulm / Alb-Donau.

Normalerweise kehren Menschen ihre unrühmliche Vergangenheit unter den Teppich. Ob jugendliches Experimentieren mit Drogen, eine außereheliche Affäre oder eine Straftat: Besonders Politikern werden ihre „Leichen im Keller“ schnell zum Verhängnis. Deshalb werden solche Episoden totschweigen. Und falls das Thema doch auf den Tisch kommt, wird es verharmlost.

Im Timotheus-Brief geht der Autor, der hier in die Haut des Paulus schlüpft, erfrischend anders vor. Zum einen spricht er offen über Paulus‘ Vergangenheit als Verfolger der ersten Christinnen und Christen. Zudem macht er mit der Lebenswende vom Verächter zum Apostel das große Wort Barmherzigkeit anschaulich. Das kann man nur in der Rückschau tun. Denn was wir über das Damaskus-Erlebnis, diese wunderbare Begegnung mit Jesus Christus wissen, muss es für Paulus auch eine verstörende Erfahrung gewesen sein: der Sturz vom Pferd, Erblindung, totale Hilflosigkeit und das Einsehen seines bisherigen Irrwegs.

Hier steht kein Wort von einem schmerzhaften Umkehrprozess. Vielmehr sieht der Briefschreiber die radikale Umkehr im österlichen Licht, nämlich als Geschenk Gottes. Dankbar schaut er zurück auf eine Vergangenheit, die andere gern unter den Teppich gekehrt hätten.

Der Diakoniesonntag am 6. Juli stellt die Barmherzigkeit Gottes ins Zentrum. Gottes Menschenfreundlichkeit ist der Grund, warum wir uns in diakonischen Einrichtungen um Kinder suchtkranker Eltern kümmern, Menschen in
Lebenskrisen beraten und für alte, hilfs- und pflegebedürftige Menschen da sind. Manchen von ihnen fällt es schwer, Hilfe anzunehmen oder zu erbitten. 

„Jeder Mensch braucht Hilfe. Irgendwann.“ Das Jahresthema der Diakonie Württemberg bewahrt uns vor der Über-heblichkeit derer, die meinen, Hilfe sei etwas, das wir als Christenmenschen geben, aber nicht annehmen oder gar erbitten. Der Kirche steht es gut an, sich an Gottes Barmherzigkeitsprojekt zu beteiligen, ohne zu bewerten. Das bedeutet, nicht zu unterscheiden zwischen den einen, die Hilfe verdient haben, weil sie unverschuldet in eine Notlage geraten sind, und anderen, die oberflächlich betrachtet, ihre Misere selbst verursacht haben.

„Jeder Mensch braucht Barmherzigkeit“, so könnte man das Jahresmotto abwandeln. Barmherzigkeit ist keine Einbahnstraße der Mildtätigkeit, sondern sie lebt von Gottes Gnade und Erbarmen. Wir sind auf die Barmherzigkeit Gottes und unserer Mitmenschen angewiesen. Denn obwohl viele, insbesondere ältere Menschen formulieren, dass sie niemandem zur Last fallen wollen, müssen wir uns eingestehen, dass wir unseren Mitmenschen bisweilen sehr lästig sein können, auch ohne ihre Hilfe zu beanspruchen.

Die Art, wie der Predigttext die Barmherzigkeit Gottes biografisch verankert, regt dazu an, den Barmherzigkeitsspuren im eigenen Leben nachzugehen. In der Überwindung von Krisen oder in einer Bewältigungsstrategie, die akzeptiert. Sogar in einem lebensverändernden Ereignis, das unangenehm und unrühmlich daherkommt.

Gebet

Gütiger Gott, lass deine Gnade in der Welt aufscheinen. Stärke die Mitarbeitenden in der Diakonie durch deinen Geist. Hilf uns barmherzig zu sein mit uns selbst und anderen. Amen.

Den geistlichen Impuls für jeden Tag finden Sie im AndachtsCast.

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