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Impuls

Post vom Himmel

Impuls für den 20. Sonntag nach Trinitatis: 2. Korinther 3,3-6.

2. Korinther 3,3-6 (in Auszügen) 

Ist doch offenbar geworden, dass ihr ein Brief Christi seid, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf fleischerne Tafeln der Herzen.

Julia-Stefanie Reiff
Foto: privat/Achim Großmann
Julia-Stefanie Reiff ist Pfarrerin an der evan­gelischen Kreuzkirche in Reutlingen.

Vor einigen Jahren hat mir eine Frau eine Kiste gebracht. Voller Briefe und Notizen. Von ihrem Groß-vater Zeile um Zeile sorgfältig mit Tinte beschrieben. In wunderbarer Sütterlinschrift. Buchstaben, die damals in der Schule akkurat gelernt werden mussten. Bei vielen hat sich aber irgendwann doch eine eigene Handschrift herausgebildet. Kleine Kunstwerke entstanden. Fast wie gemalt. Es hat für mich deshalb Zeit gebraucht, Geduld und Übung, den Inhalt zu entziffern. Aber es hat sich gelohnt, denn ich bekam Einblick in ein anderes Leben. Jedoch nicht vollständig, denn dazwischen gab es diese Blätter, auf denen die Tinte bis zur Unkenntlichkeit verblasst war. Weil Papier oder Tinte den Umständen der Zeit nicht standgehalten hatten. Manche waren vielleicht gar nie beschrieben gewesen. Wer der Mann genau war, was ihn ausmachte und für was er stand – all das war nicht mehr lückenlos belegbar. Was blieb, waren zu viele Leerstellen, die den ganzen Nachlass aus wissenschaftlicher Sicht wertlos machten.

So ähnlich müssen sich auch diese ersten Christinnen und Christen gefühlt haben, die zu einer der Gemeinden gehörten, die Paulus verantwortete. Wenn sie losgingen, um Herberge oder sogar Heimat an anderen Orten zu suchen. Wie ein unbeschriebenes Blatt! Denn sie hatten nichts dabei, was dokumentierte, wer sie waren, woher sie kamen oder zu wem sie gehörten. Es blieb so einiges offen, was ihr Leben nicht einfach machte.

Bei anderen war es gängig, Empfehlungsschreiben auszustellen (Apostelgeschichte 18,27). Nicht so bei Paulus. Für ihn war es keine Option, menschliche Vergänglichkeiten zu nutzen, wenn es um Gottes-Dinge ging. Kein Blatt, keine Tinte, kein Buchstabe, keine Steintafel hielten hier den Ansprüchen stand. Altbekanntes und scheinbar Beständiges war nichtig geworden. Für Paulus schrieb Gott seit Christi Geburt die Geschichte mit den Menschen neu. Alles war auf Anfang gesetzt.

Paulus gab deshalb dieses Bild mit auf den Weg: Stell dir vor, du bist ein Brief. Post vom Himmel auf die Erde. Absender Christus. Empfänger die „Familie Mensch“. Vertrau darauf: Die Botschaft Gottes ist dir in der individuellen Handschrift des Heiligen Geistes wunderbar direkt ins Herz geschrieben. Gott gibt sich Mühe mit jedem einzelnen Leben. Gott malt auch deines sorgfältig und kunstvoll. Mit dem, was du bist und was dich ausmacht. Mit deinem Wert, deinen Begabungen, deiner Würde. Dies steht fest. Gott schickt dich nicht als Leerstelle oder mit Unbeständigkeiten unter die Leute.

Ich finde diesen Gedanken andersherum gedacht wunderbar: In jedem Menschen gibt es etwas von Gott zu entdecken. Manchmal kann man das sogar als Wohlgeruch Christi wahrnehmen (2. Korinther 2,14), wie ein Hauch Parfüm auf einem Liebesbrief Gottes an uns Menschen. Dafür möchte ich mir in den nächsten Tagen Zeit nehmen, Geduld dabei haben und mich darin üben: mit allen Sinnen (2. Korinther 3,14) wahrnehmen, in wem und wie mir Gott begegnet. Um einzusehen, was die Geschichte Gottes mit uns Menschen bedeutet und was Leben heißt.

Gebet

Gott, wunderbar sind deine Werke. Danke, dass du mich nicht als unbeschriebenes Blatt, sondern mit Wert, Begabung und Würde in dieses Leben geschickt hast. Als dein Brief vom Himmel auf die Erde. Amen.

Den geistlichen Impuls für jeden Tag finden Sie im AndachtsCast.

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