Impuls

Schlafen und staunen

Impuls für den Sonntag Sexagesimä: Markus 4,26-29

Markus 4,26-29

Und er sprach: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und steht auf, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst – er weiß nicht wie. Von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre. Wenn aber die Frucht reif ist, so schickt er alsbald die Sichel hin; denn die Ernte ist da.

privat
Der promovierte Theologe Frank Dettinger ist geschäftsführender Pfarrer in Markgröningen.

Frage der Freizeitgestaltung: Lieber aktiv sein oder -lieber ausruhen? Beides erscheint attraktiv. Wenn ich freie Zeit habe, kann ich mich endlich ausreichend bewegen. Oder ich kann auch endlich ausreichend lange schlafen. Ersteres wie Zweiteres kann gleichermaßen wohltuend wirken. Ein Gleichgewicht erweist sich als gesunder Weg.

Ums Schlafen geht’s in Jesu Gleichnis hier. Gerade die Zeit des Nichtstuns ist Gottes Zeit – so die Botschaft. Das Schlafen oder Nichtstun ernst nehmen, es zulassen, und danach: staunen. Plötzlich sehe ich Wunder, wenn ich mir nach der Ruhe die Augen reibe. Ganz von selbst ist hier viel passiert. In einem Prozess, den Jesus genau beschreibt, ist da etwas gewachsen. In drei Schritten entstand ein Halm, dann die Ähre und schließlich die Frucht, der volle Weizen. Die Ernte kann los-gehen. Dieses Ergebnis verblüfft.

„Von nichts kommt nichts“, lautet eine alte Weisheit. So sind viele erzogen worden. Es gibt angeblich ein Naturgesetz der Leistung. Ein ehemaliger VfB-Trainer soll das harte Training mit der folgenden Einsicht begründet haben: „Qualität kommt von Qual.“ Ein Weltbild der Machbarkeit prägt viele Menschen. Und so eine Haltung mag durchaus motivieren. Wenn ich daran glaube, dass meine Aktivität sich auszahlt, ist in der Tat vieles möglich. Scheinbar kommt dann das „Glück des Tüchtigen“ noch dazu – und es läuft.

Wie bei der Frage der Freizeitgestaltung gilt aber wohl grundsätzlich: Aktivsein und Nichtstun haben beide ihr Recht. Jesus erkannte problematische Seiten des Aktivseins. Manche zu seiner Zeit glaubten, dass nur mit Mitteln der Gewalt die Befreiung von der römischen Besatzungsmacht möglich sein könnte. Andere glaubten, dass die strikte Befolgung des Gesetzes, der Tora, dazu führen würde, dass Gott eingreift und sein Volk befreit. Vor solchem Hintergrund bringt Jesus die Menschen damals und uns heute ins Nachdenken. Wo liegen die Grenzen der Aktivität? Wo die Grenzen des Machbaren?

Jesus provoziert. Er fordert heraus mit dem Beispiel des wachsenden Samens: schlafen und staunen. Gerade die Zeit unseres Nichtstuns ist Gottes Zeit. Jesus konnte ja selbst auf dem Boot im Sturm schlafen, was kurz nach dem Gleichnis berichtet wird in Markus 4,35-41. Der Sturm brachte ihn nicht aus der Ruhe. Jesus schlafend auf dem Boot im Sturm – wie eine symbo-lische Bestätigung dieses Gleichnisses.

Also die Hände immer in den Schoß legen? Wohl nicht! Gott nimmt auch meine Hände in Anspruch, um in dieser Welt zu wirken. Aber bei aller Aktivität soll ich nicht vergessen: Gerade die Zeit des Nichtstuns ist Gottes Zeit. Dies kann auch trösten, wenn meine Aktivität manchmal nicht zum Ziel führt. Wenn alles Mühen ins Leere geht und so mancher Einsatz ergebnislos bleibt. Manchmal darf ich loslassen, passiv sein, mich aus-ruhen, schlafen, dem Schlaf sein Recht geben. Und danach die Augen reiben und staunen.

Gebet

Schenke mir Kraft zum Tun, Herr, schenke mir Ruhe zum Lassen. Schenke mir beides, Herr. Schenke mir Tun und Lassen. Schenke mir Mut zu beidem. Du lässt mich staunen, immer wieder neu. In allem wirke du.

Amen.

Den geistlichen Impuls für jeden Tag finden Sie im AndachtsCast.

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