Es gibt Situationen, da ist uns nicht nach Singen zumute: Die Kehle scheint zugeschnürt. Worte und Töne bleiben im Halse stecken. Paulus und Silas singen trotzdem. Malträtiert und misshandelt, gefesselt im Verließ kauernd, loben sie Gott.
Das finde ich erstaunlich! Die beiden hätten ja auch hadern und jammern können, Gott anklagen, der sie in diese schreckliche Lage gebracht hat. Doch von Klagen, Resignation oder Verzweiflung lesen wir nichts. Stattdessen loben sie Gott, singen und beten. Und sie erleben: Lobpreis öffnet Türen!
Kantate – „Singet“, so heißt dieser Sonntag: Singen befreit, gerade in dunklen Stunden und auch dann, wenn das Herz schwer ist. Singen tut gut: Nicht nur, wenn ich gut drauf bin, sondern auch, wenn Verzweiflung, Sorge und Trauer mich verstummen lassen. Auf dem Friedhof oder im Trauerhaus erlebe ich, wie tröstlich es sein kann, sich in alten Melodien und vertrauten Texten zu bergen. Da kann ich mir mitten in der Sprachlosigkeit Worte leihen, die tragen und trösten. Verkrustetes kann aufbrechen, Spannungen lösen sich, Tränen dürfen fließen und die Last wird leichter.
Und wie gut tut es, gemeinsam zu singen: Im Chor oder im Gottesdienst, in der Kita oder im Konfirmandenunterricht, im kleinen Kreis oder wie vor zwei Wochen mit tausenden Stimmen in einer Messehalle beim Kirchentag in Hannover.
Paulus und Silas loben Gott in der Tiefe und sie erfahren Wunderbares: Singen kann Mauern überwinden. Gemeinsam Gott loben kann Türen öffnen! Singen ist Glücksache! Nicht nur, weil es nicht immer glückt. Sondern auch, weil es Menschen glücklich machen kann. Und Unglück erträglicher. Wer singt, wird gelassener, fröhlicher und zuversichtlicher. Das hilft auch in Zeiten, in denen wir als Kirche kleiner und weniger werden. Wo uns die Puste auszugehen droht, wo uns die Worte fehlen.
Musik überwindet Grenzen. Wo Menschen miteinander musizieren, ist kein Platz für Hass und Gewalt: So wie im von Daniel Barenboim gegründeten Orchester des West-östlichen Divans. Es besteht zu gleichen Teilen aus israelischen und arabischen Musikern und setzt sich für Frieden und Verständigung im Nahostkonflikt ein.
Psalmen und Lobgesänge dringen auch durch die Mauern der Verwirrtheit. Manchmal erlebe ich, wie demente Menschen, die nicht mehr sprechen können, auf einmal vertraute Lieder mitsingen. Weil Musik eben nicht nur den Kopf anspricht, sondern direkt das Herz berührt.
Kein Wunder, dass für Martin Luther Musik zum Glauben dazugehört: „Die Musik ist eine Gabe und ein Geschenk Gottes; sie vertreibt den Teufel und macht die Menschen fröhlich.“ Gott hat uns diese wunderbare Gabe geschenkt, damit er uns trösten und aufrichten kann. Damit wir ihm danken, ihn loben können. Mit Chorälen oder Lobpreis, Gregorianik oder Gospel, mit Band, Posaunen oder Orgel. In einer Sprache, die aus dem Herzen kommt. Die oft keine Worte braucht, und die doch alle verstehen. Gott sei Dank!