Übermorgen findet in den USA die 60. Präsidentschaftswahl statt. Wer wird das Rennen machen und die meisten Wahlleute hinter sich versammeln? Es gibt immer mehr Menschen, die nicht wissen, wie sie mit dem möglichen Wahlergebnis umgehen sollen. Der Ausgang der Wahl wirft die Frage auf: Wie und mit welchen Formen sollen sich Christinnen und Christen gegenüber dem Staat und seiner Autorität verhalten? Das Predigtwort für diesen Sonntag kann im ersten Moment auf diese Frage etwas verstörend erscheinen.
Der Apostel Paulus beginnt seine Gedanken an die Gemeinde in Rom mit der Aufforderung, sich den staatlichen Verhältnissen zu fügen. Für ihn sind alle Autoritäten von Gott klug geordnet. Darum ergibt sich für Paulus die Konsequenz, dass sich Christinnen und Christen nun diesen Verhältnissen ohne Widerwort fügen sollen. Ist das Predigtwort so einfach zu verstehen? Ich bin überzeugt, dass es so einfach nicht ist.
Ein Blick in den historischen Kontext hilft. Paulus schrieb diese Worte in einer Zeit, in der Christen eine kleine Minderheit im Römischen Reich waren. Oft standen sie im Spannungsfeld zwischen ihrer Loyalität zu Jesus Christus und der Loyalität zum römischen Kaiser. Paulus fordert deshalb, dass die Gemeinde in Rom nicht unnötig einen Konflikt mit den staatlichen Autoritäten riskiert, sondern sich der Obrigkeit unterordnet.
Paulus stellt damit aber dem Kaiser oder der staatlichen Autorität keinen Freifahrtschein aus. Die Tatsache, dass Paulus die Obrigkeit als von Gott eingesetzt ansieht, bedeutet nicht, dass jede Handlung von ihr auch richtig sein muss. In der Bibel finden sich zahlreiche Erzählungen, in denen Menschen Gott mehr gehorchen als der staatlichen Autorität. Machen Sie sich einfach einmal selbst auf Entdeckungstour durch unsere Bibel!
Jedoch spricht Paulus der Obrigkeit eine wichtige Aufgabe zu. Sie soll für das Wohl der Menschen sorgen, Recht und Gerechtigkeit fördern und das Böse bestrafen. Wenn aber eine Regierung dieser Pflicht nicht nachkommt oder sogar Gegenteiliges tut, verliert sie ihre Legitimation.
Für Christinnen und Christen heute bedeutet dies, dass wir den Staat und seine Autorität respektieren sollen, wo er seiner Aufgabe nachkommt. Aber es bedeutet auch, dass wir nicht schweigen dürfen, wenn diese Autorität missbraucht wird. Als Christinnen und Christen sind wir aus diesem Grund verpflichtet, für Ge-rechtigkeit einzutreten und uns für das Wohlbefinden aller Menschen einzusetzen. Auch wenn das bedeuten kann, gegen ungerechte und unmenschliche Gesetze oder Handlungen einer Autorität aufzustehen.
Die Worte von Paulus verlangen von Christinnen und Christen Gehorsam gegenüber der staatlichen Autorität, wo es recht und gerecht ist – aber sie fordern auch auf, in Widerstand gegen Unrecht, Willkür und politischen Machtmissbrauch zu gehen und die Stimme zu erheben